Annie Proulx - Schiffsmeldungen

Originaltitel: The Shipping News
Autorin: Annie Proulx
Verlag: Btb (5. März 2007)
Umfang: 415 Seiten
Sprache: Deutsch

Quoyle ist ein Unglücksrabe. Schon als Kind lehnt ihn sein Vater ab, zieht ihm den Bruder vor, der ihn fortwährend schikaniert und hänselt. Korpulent, schwerfällig und ungeschickt wie Quoyle ist, hat er als Teenager keinen Erfolg bei den Frauen, er schämt sich für sein Äußeres, entwickelt Minderwertigkeitskomplexe, besonders sein breites Kinn wird für ihn zunehmend zum alles überschattenden Makel. Als er Anfang dreißig die attraktive Petal kennenlernt, scheint sich sein Leben zu ändern. Sie entjungfert ihn nach allen Regeln der Kunst, in der ersten Hitze der Emotion heiraten sie. Zwei Mädchen werden geboren, aber sie können die ungestüme Lebenslust der Mutter nicht bremsen. Schon bald beginnt sie ihn zu betrügen. Petal bleibt nächtelang fort, bringt fremde Männer mit nach Hause. Quoyle erträgt alles kritiklos, verzeiht der Liebe seines Lebens jede Demütigung.
Eines Tages begehen Quoyles Eltern völlig überraschend Selbstmord. Als er von der Bestattung nach Hause kommt, ist Petal mit einem Liebhaber abgehauen und hat die beiden Töchter Bunny und Sunshine mitgenommen. Wenige Tage später kommt Nachricht von der Polizei. Letal ist mit ihrem Lover in den Tod gerast, hat sich bei einem Autounfall das Genick gebrochen, die Kinder einen Tag zuvor an die Pornobranche verkauft.
Quoyle ist am Ende. Mithilfe der Polizei bekommt er die beiden Mädchen unversehrt zurück. Aber was nun?
Wenige Tage später steht seine Tante Agnis vor der Tür, er hat die Frau noch nie gesehen, noch nie von ihr gehört. Sie erzählt ihm von seinen Vorfahren aus Neufundland, vom dortigen Familienbesitz, einem verfallenen Haus auf einer entlegenen Landzunge, nahe der Stadt Killick Claw und überredet ihn, gemeinsam mit den Kindern und ihr dorthin zu ziehen.
In der rauen Landschaft Neufundlands, wo die Menschen aufeinander angewiesen sind, zwischenmenschliche Kontakte großgeschrieben werden, findet Quoyle wieder zu sich, verliert seine Menschenscheu, gewinnt an Selbstvertrauen. Er beginnt den Familienbesitz zu restaurieren und erhält einen Job bei der Lokalzeitung von Killick Claw. Der wasserscheue Nichtschwimmer muss ausgerechnet für die Rubrik „Schiffsmeldungen“ Beiträge schreiben. Er nimmt die Herausforderung an. Bald darauf lernt er die attraktive Wavey kennen. Vorsichtig nähern sich die beiden einander an, aber noch werfen ihre verstorbenen Partner und die dunkle Vergangenheit seiner Vorfahren lange Schatten.

Der Autorin ist mit diesem Werk ein anspruchsvoller Entwicklungsroman von enormer Dichte gelungen, der 1994 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde. Im Zentrum der Geschichte steht die Entwicklung Quoyles vom komplexbehafteten Versager hin zu einem Menschen, der lernt, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen. Annie Proulx zeigt am Beispiel ihrer tragischkomischen Hauptfigur, dass es möglich ist, jedes Schicksal zu meistern, wenn man sich ihm mutig entgegenstellt, was zugleich die Prämisse des Romans bildet.
In knapper, präziser Sprache, voll ausdrucksstarker Bilder zeichnet Proulx die wilde Landschaft Neufundlands, zeigt das harte Leben der dort ansässigen Menschen, den täglichen Kampf gegen die Natur, ihre Erfolge und Rückschläge ebenso wie die Nöte der ansässigen Fischer, die durch den industriellen Fischfang ihre Existenzgrundlage gefährdet sehen.
Alle Figuren des Romans sind lebendig und unverwechselbar profiliert, besonders liebevoll dargestellt erschienen mir die beiden Mädchen Sunshine und Bunny.
Unerbittlich führt Proulx aber auch die hässlichen Seiten von uns Menschen vor. Dennoch bleibt sie versöhnlich, bis zum Ende ihres Romans.

Annie Proulx wurde 1935 in Connecticut geboren. Sie erhielt alle wichtigen Literaturpreise Amerikas, den PEN/Faulkner Award, den Pulitzerpreis, den National Book Award, sowie den Irish Times International Fiction Prize. Außerdem wurde sie in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen. Die Verfilmung ihrer Kurzgeschichte »Brokeback Mountain« durch Ang Lee wurde 2005 mit drei Oscars ausgezeichnet.

7 „Gefällt mir“

Mein Lieblingsbuch, also eins von meinen Lieblingen. Mir immer noch schleierhaft, wie man den hässlichen Riesen Quoyle mit dem Schönling Kevin Spacey besetzen kann, nun ja, Hollywood. Lasse Hallström hat trotzdem sein Bestes gegeben.

2 „Gefällt mir“

Ich habe den Roman früher gelesen und ich erinnere mich, dass er mir sehr gut gefallen hat. Jetzt durch deine Rezension wieder drauf gestoßen, werde ich ihn mir auf alle Fälle noch mal durchlesen. Ich muss mal gucken, ob er noch im Regal ist, oder ob ich ihn mal irgendwann aussortiert und weggeschmissen habe. Dann müsste ich ihn mir neu holen. :scream:

Ich habe in den letzten Jahren manchmal so einen Wahn, dass ich Bücher aussortiere, damit es weniger wird. Und ich habe gerade mal geguckt, es ist nicht mehr da. Aber ich glaube, ich leihe es mir aus der Onleihe aus. Vielleicht reicht das auch. Ich muss nicht alle Bücher besitzen. :wink:

1 „Gefällt mir“

Das Buch habe ich nicht gelesen. Den Film finde ich sehr gut.