Das waren Zeiten

Ok - nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit - ich fand Untenstehendes kürzlich irgendwo auf einem versteckten Winkel meiner Platte. Vielleicht liest’s ja jemand. Warum ich das mal schrieb, weiß ich nicht mehr. Vermutlich, weil ich mich mal über was geärgert hatte.

Der PC-Freak

Wissen Sie eigentlich, was ein PC-Freak ist? Naja, wenn nicht, macht das auch nichts. Es ist keine Bildungslücke. Falls Sie weiterlesen, was zugegebenermaßen etwas länger dauern könnte, werden Sie zumindest meine persönlichen Definitionen kennen. Ob Sie sich diese zu eigen machen oder nicht ist in Ihr Belieben gestellt. Sollten Sie sich mir anschließen, freue ich mich über einen Gesinnungsgenossen. Wenn nicht, bin ich Ihnen auch nicht böse.

Ein PC-Freak, der Einfachheit halber fortan abgekürzt zu ,PCF"ist nicht selten, eigentlich eher öfter, oder meistens, ein sogenannter „Seiteneinsteiger" Er kommt aus irgendeinem Beruf und hat zu den Zeiten, als Quelle einen „C64"mit „Floppy" noch für an die 1500,-- verkaufen konnte, unter Inkaufnahme heftigster und existenzbedrohender Ehekrisen einen solchen Rechen"boliden" erstanden. So stand er nun also da, ein Brotkasten in hochmodernem Design nebst einer nicht minder hochmodernen „Floppy" - für Uneingeweihte: ein Diskettenlaufwerk. Wenn’s etwas billiger war, gab es statt des Diskettenlaufwerks eine sogenannte „Datassette" was nichts anderes war, als ein leicht umfunktionierter Kassettenrecorder. Die Firma Commodore lieferte eine Vielzahl von Handbüchern mit diesen Rechnern aus, manchmal, jedoch nicht immer, in deutscher Sprache, nicht selten auch in Englisch. Wobei sie dem PCF gleichzeitig Zwangskurse in dieser Sprache verordnete.

Ich hatte einmal Gelegenheit, mit einem etwa 14jährigen PCF zu sprechen. Auf meine Frage, ob er denn auch dieses und jenes Programm verwende, gab er mir zu Antwort: „Ja, aber die ‚cracked version‘" Er sprach das amerikanischer aus, als John Wayne es jemals hätte aussprechen können - und mit gezogenem Colt!

Nun setzte sich also jener PCF vor seinen C64. Über einen angeschlossenen Fernseher war er bequem in der Lage, die ausgefuchstesten Programm zu erdenken und zu schreiben. In Basic, der Programmiersprache für „Einsteiger" (Das Wort „Anfänger" war schon damals recht verpönt.)

Und was schrieb ein PCF zu Beginn seiner Karriere als Anwendungs-, System- und Spieleprogrammierer?

10 PRINT „MAX"

Und auf das Kommando „run" (übersetzt bedeutet das etwa: jetzt lauf doch endlich) gab der kleine Computer „Max" auf dem Bildschirm aus. Der PCF war hell begeistert, führte stundenlange Freudentänze auf und betrachtete sich fortan als Experte in Sachen Datenverarbeitung. Nach dem er dann auch noch begriffen hatte, daß man in sogenannten „Variablen" so geheimnisvolle Dinge wie seinen eigenen Namen hinterlegen und wie man den kleinen Computer dazu veranlassen konnte, nach eben diesem Namen zu fragen, kannte seine Euphorie keine Grenzen mehr.

Seine Frau, die unbedingt das „Begrüßungsprogramm" „Bitte gib mir deinen Namen ein" … „Hallo, guten morgen Inge" ausprobieren mußte, sah’s eher pragmatisch und wollte wissen, wozu das gut sei. Worauf unser armer PCF seine bessere Hälfte ebenso verständnislos ansah wie sie ihn und keine Antwort wußte, weil es keine gab.

Oder wie sollte man jemandem, der diesem Bit- und Bytefieber nicht verfallen war erklären, welchen Sinn es machte, sich von einem in geschmackvollen Braun-beige gehaltenen Plastikkasten auf elektronisch-dümmliche Weise begrüßen zu lassen?

Doch ein Freak wäre ja kein Freak, ließe er sich von solchen laienhaft-ignoranten Menschen wie einer Ehefrau von dem epochalen Schritt in die Zukunft abhalten und in seiner weitblickenden Unternehmung beirren. So programmiert er munter drauf los. Weil er ein Weinliebhaber ist, beginnt er ein Programm zu schreiben, welches seine Weinsammlung verwalten soll. Die Aufgabenstellung ist etwa folgende:

Die Weine sollen beliebig sortierbar sein, also nach Sorte, Jahrgang, Farbe, Geschmack, Schuhgröße des erzeugenden Winzers, Geruch, Blutgruppe des die Beeren schneidenden Helfers sowie nach dem Alter der ältesten Tochter des Winzers. Dazu werden Platznummern vergeben, um die 23 betreffenden Weine dann auch finden zu können.

Die ersten 37 Versuche scheitern, weil unser PCF noch nicht begriffen hat, daß man ein erstelltes Programm auch abspeichern kann. - und das auch sollte, wenn man das Programm denn häufiger benutzen möchte. Nachdem ihm diese Erkenntnis jedoch eines frühen Sonntagmorgens wie ein Blitz traf, weiß er nun endgültig Bescheid und er versucht sich aufs Neue an diesem Weinverwaltungsprogramm. Unterdessen jedoch fällt ihm ein, daß er immer wieder Probleme damit hat, sein Konto auf der Bank zu überblicken. Also schustert er sich kurzerhand eine Kontenverwaltung mit allem Komfort und Zurück zurecht. Er ist sich sicher, damit auch auf dem heißumkämpften Softwaremarkt einsteigen zu können. Temporäre Zweifel kommen ihm allerdings, als er, nach Fertigstellung beider Programme, auf seinem Konto zigtausende DMark auf der Sollseite findet für die älteste Winzertochter und als in seiner Weinkartei solche Begriffe wie ,Schuhe Sohn Mäxchen" erscheinen. Da muß was danebengegangen sein…

Sehr beliebt sind ja die sogenannten Fachsimpeleien unter den PCF’. Einer solchen Fachsimpelei, sie fand am 12. Mai 1983 nicht statt, konnte ich zufällig nicht beiwohnen und sie hat sich tief in meinen persönliche Speicher eingegraben:

„Hallo, grüß’ dich, wie geht’s denn so?“ „Danke, kann nicht klagen. Und selbst?“ „Naja, war schon besser, könnte aber schlimmer sein. Hab’ n bißchen trouble mit meinem 64er.“ „Echt? Was ist das Problem?“ „Genau weiß ich das noch nicht. Aber immer wenn ich an die Speicheradresse hex 38f 'nen Wert poke und diesen Wert dann anschließend peeke pinkelt mein Hund auf den Wohnzimmerteppich. Und immer nur bei der einen Adresse!“ Der andere winkt schmunzelnd ab. „Kenn’ ich. Bei meinem war’s die Adresse hex 38e. Wenn ich da 'ne sieben reingepokt habe, spielte meine Schwiegermutter verrückt. Sie behauptete, ihr Gebiß würde dann brummen.“ „Und was kann man dagegen tun?“ „Ich hab’ das Gebiß meiner Schwiegermutter geerdet.“ "Und - seitdem ist Ruhe? „Das nicht, aber bei Gewitter kann sie jetzt mit Ihrem Gebiß in wahnwitziger Geschwindigkeit Disketten formatieren“…

Nun, auch die PCF’s unterliegen dem Wandel der Zeit und so kommt es, daß sie zwar nach wie vor mit Begeisterung von alten Zeiten schwärmen, dabei immer versuchend, denen, die diese Zeit nicht miterleben konnten, ehrfürchtiges Staunen abzuringen ob der Primitivität, mit der „damals“ die EDV behaftet war. Doch mit fliegenden Fahnen sind sie auf den Zug der Zeit aufgesprungen und benutzen, gewissermaßen als Zeitzeugen einer sich rasend verändernden Zeit, die neueste Hard- sowie Software. So kommt auch der eingefleischteste PCF irgendwann vom C64 zum „PC“.

Die einen sind Sammler. Programme, die sie niemals benötigen, wollen Sie dennoch ,haben" Dann gibt es da die „Shareware-Sammler“ Shareware ist, kurz ausgedrückt, Software, welche man prüfen kann, bevor man sie kauft und dann nie wieder benutzt.

Alles andere ist Software, die man kauft, bevor man sie prüfen kann und die man dann nie mehr benutzt. Shareware wird häufig von Hobbyprogrammierern erstellt und behandelt ungeheuer wichtige und weltverändernde Themen. So beispielsweise Programme, welche exakt den Monatszyklus der siamesischen Zwergkatze berechnen können. Oder welche Art von Kraftnahrung ein Wellensittich für den Schnellsprechwettbewerb benötigt.

Dann gibt es den Hardwarefan. Der braucht immer das Neueste vom Neuesten. Und immer das Beste vom Besten, das Größte und / oder Teuerste.

Es gibt einen sehr bekannten und prominenten PCF. Ich kenne ihn nicht persönlich, doch er muß einer der ganz dollen sein: Bill Gates.

Jener Bill Gates begann vor nur einigen Jahren in einer Garage eine Art Computer zusammenzubauen. Und daraus entwickelte sich - nein, entwickelte Billy den Vorläufer der heutigen Personalcomputer. Und dann lizenzierte er noch schnell sein Betriebssystem an IBM und fertig war der Milliardär - oder so ungefähr…

Heute ist Bill Gates einer der reichsten Männer der Erde und die personifizierte amerikanische Verführung. Marilyn Monroe war dagegen nur ein feuchter Abklatsch. Bills 17- Zoll-Grinsen übertrifft an geheimnisumwitterter Vieldeutigkeit das der Mona Lisa um etliche Terabyte.

Heute stellt Billy keine Computer mehr her. Er läßt herstellen. Von vielen Herstellern in aller Welt. Wie er das macht?

Naja, sagen wir mal so: Er hat sich auf das Erstellen von Programmen für derartige Personalcomputer spezialisiert. Und beschäftigt damit viele tausend Mitarbeiter in aller Welt. Diese schreiben die Programme und die Anwender, die Benutzer, testen sie dann. Sowas nennt man die „Betatestphase“ Ist diese Testphase abgeschlossen, wird das Programm verworfen und ein neues, viiiiiel besseres entwickelt. Das geht anschließend wieder in die "Betatestphase"und dann - erraten. Und weil die Programme Speicherplatz in Größenordnungen verbrauchen, die in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu den Programmierkünsten ihrer Autoren stehen und zunehmen, werden in immer kürzeren Abständen Computer mit noch mehr Speichermöglichkeiten auf den Markt geworfen um diese aufgeblähten Bit- und Bytemonster überhaupt benutzen zu können. So hat heute jeder Benutzer, der auf sich hält, also auch unser PCF, um den hier eigentlich geht, einen aufgebohrten 12-Zylinder auf seinem Schreibtisch stehen mit mindestens 20 Liter Hubraum. Eines allerdings hat Bill Gates geschafft: Seine Programme zum Standard zu erheben. Niemand vermag genau zu sagen, wie er das gemacht hat. Vermutlich geht die Methode so in Richtung: Milliarden Fliegen können sich nicht irren. Böswillige Naturen behaupten ja, wenn bei Bill Gates einmal eine Glühbirne durchbrennt und es deswegen dunkel wird, erhebe er flugs die Dunkelheit zum Standard. (Wie nennt man es, wenn ein Microsoft-Programmierer einen Strohhut auf dem Kopf hat? Erraten - extended memory!)

Die gewaltige Rechenpower eines 586’ers braucht er auch, der PCF. Beispielsweise um einen Brief an das örtliche Finanzamt schreiben zu können. Um dem beamteten Sachbearbeiter erklären zu können, warum sein mit viel Liebe und noch weniger Sachverstand mittels PC erstellter Antrag auf Einkommenssteuererstattung wieder einmal so granatenmäßig in die Hose ging.Das Programm schlechthin jedoch, das heute jeden PCF vor Entzücken aufstöhnen und in orgiastische Zuckungen verfallen läßt ist - ,Windows" Können Sie sich die Welt heute noch ohne Windows vorstellen? Ich auch nicht. Grenzt es an Blasphemie wenn man die Behauptung aufstellt: Ohne Windows gäbe es die Welt nicht mehr? Ganz bestimmt: Sie wäre schon längst vor die Kommandozeile gegangen. Was ist das für eine zauberhafte ,Benutzeroberfläche" (So nennt man Windows nämlich. Oder auf neudeutsch: Graphical User Interface, (abgekürzt GUI.) Hier ein kleines Fensterchen, dort ein größeres. Und da heutzutage alle PC’s ,multimediafähig" (=lärmfähig) sind, kann man dem Öffnen eines Fensters auch erklärende Geräusche oder gar gesprochene Worte zuordnen. Beispielsweise ein schlichtes ,Fenster auf" vom Benutzer höchstselbst kreiert. Oder dem Schließen eines Fensters das ,Pfeifen auf dem letzten Loch" (gemeint ist ein rückwärtiges). Es gibt Scharen von PCF’s, die sich künstlerisch mit der Erschaffung solcher Geräuschkulissen befassen.

War es zu früheren Zeiten notwendig, sich mühsam auf der Kommandozeile des Betriebssystems MS-DOS zurecht zu hangeln um ein Programm zu starten, genügt es heutzutage, sich mühsam mit der Maus (die hat Bill Gates nicht erfunden, sie stammt vom Computer ,Lisa"von einem eher auf Obst spezialisierten Hersteller - sie stellen Äppel her) durch den Dschungel der verschiedenen ,Windows"(darum heißt das so) zu hangeln. Da die Symbolik der einzelnen Programme, man kann sie alle über Symbole steuern, diese Programme, ihre Logik allenfalls im Hirn oder einer anderen Körperregion des Programmautors findet, ist es ein beliebtes Spiel, wer die Bedeutung eines solchen Symbols als erster entschlüsselt.

Durchgängig kann man, ohne allzuviel Schläge zu riskieren, behaupten, eine der wesentlichen Aufgaben eines Programms wie Windows ist es, sich selbst zu verwalten. Gütigerweise, und in seinen Regeln dem Benutzer beileibe nicht zugänglich, mißt das Programm diesem Benutzer hin und wieder einige Momente zu, in denen er seine Wünsche per ,Mausklick"artikulieren darf. Verpaßt er solch eine ,Zeitscheibe"- sein Pech. Muß er halten warten, bis der PC aus seinem ,masturbationmode"zurückkehrt.

Der wahre PCF nun empfindet das gänzlich anders, als von mir oben geschildert. Für ihn bedeutet es eine enorme Vereinfachung, mit einem Betriebssystem, welches die Ressourcen seiner "alten Kiste"so beansprucht, daß er 'ne neue braucht, seine 27 Weinflaschen zu verwalten oder Omilein einen mit allen Möglichkeiten der modernen Textverarbeitung gestalteten Brief zu schicken. In diesem Brief hat er dann noch einige Soundfiles via DDE und OLE sowie einige Videos vom letzten "Musikantenstadl"eingebunden. Omilein allerdings bekommt davon nichts mit, weder ist sie ihrem Enkel über Internet und eMail verbunden, noch besitzt sie etwas anderes Elektrisches, als ihr altes Radio. Wen wundert da noch der Generationenkonflikt?

Schließlich "mailt"man ja voll aneinander vorbei.

Ach ja: Da ist ja noch die Sorte der PCF’s, die sich der DFÜ und dem Internet verschrieben hat. Die nutzen ihren PC hauptsächlich, um im Internet zu „surfen“ Es sollen schon Ehen via Internet geschlossen worden sein. Das sind die sogenannten „Überraschungsehen“ Man „chattet“ (schnattert) mit dem Partner, schickt sich die heißesten Liebesschwüre. Zu sehen bekommt man den Partner, wenn man Glück hat, nie. Das ist die neue Art von Ehe, zeitgemäß und unkompliziert.

Scheidungen sind eher selten, außer - genau - man bekommt den Partner versehentlich doch mal zu Gesicht. Doch das Zeitalter von „Star Trek“ ist ja nicht weit und somit die Möglichkeit nahe, sich seinen Partner via Internet und "Beam-Modem"für temporär-kurzweilige Vergnügungen fleischlicher Natur ins heimelig-heimische Bettchen zu beamen. Ein PCF hat vor nichts Angst. Außer, daß seine Daten ihm verloren gehen könnten und vor den berühmt-berüchtigten Computerviren. Das sind kleine und gemeine Miniprogrämmchen, die solche Softwareboliden wie die von Bill Gates mit einigen wenigen Bits oder auch Bytes total aus dem Konzept bringen können. Womit bewiesen wäre, daß Quantität nicht zwangsläufig auch Qualität bedeutet. Viren sind in der Lage, sich selbst zu reproduzieren und den versierten oder auch weniger versierten PCF in größte Verzweiflung, ja in gewaltige Lebenskrisen zu stürzen. Sind plötzlich Dateien nicht mehr lad- oder lesbar, stürzen Programme aus unerklärlichen Gründen ab, läuft die Nase des PCF’s oder hat er oder sein PC Diarrhö - Schuld ist auf jeden Fall ein Virus.In solchen Stunden größten Schmerzes und höchster Verletzbarkeit sollte man einem gequälten PCF gegenüber sehr behutsam sein, ihn möglichst nur leise ansprechen und seiner tiefen Trauer Rechnung tragen. Für tröstenden Zuspruch ist er jederzeit dankbar.

Übrigens: Wissen Sie, was es neuerdings zu kaufen gibt? Etwas ganz und gar sensationelles, nie dagewesenes: Ein Programm, welches auf einem gut ausgestatteten Personalcomputer alle Funktionen des C64 simuliert. Einen 486’er braucht’s allerdings schon dazu. Mindestens. Ein 586’er wäre besser, nur dann läuft diese C64-Simulation wirklich problemlos…