Form des Romanes

Guten Tag allerseits.

Wie ihr an am Abriss ( https://www.papyrus.de/forum/threads/auszug-aus-falsch-abgebogen.4727/ ) erkennen könnt, schreibe ich alles aus der “Ich” Perspektive in der Gegenwart. Meine Frage wäre hierzu, ob so was überhaupt erfolg haben kann, oder ob ein Roman zwingend aus einer Außenansicht und in der Vergangenheit sein muss. Meinungen erwünscht. Noch kann ich meine bald 100.000 Worte umfassende Geschichte umschreiben.

Das kann man unmöglich pauschalisieren.

Vielleicht hilft dir ein Beispiel aus der Praxis? Suzanne Collins schrieb die “Die Tribute von Panem”-Trilogie aus der Ich-Perspektive und wählte die Gegenwart. Aus verschiedenen Gründen eine großartige Leistung.

Mehrheitlich werden Geschichten jedoch in der Vergangenheit erzählt.

Ich sage mal: “Nichts ist verboten, alles ist erlaubt, doch bevor du die Regeln brichst, musst du die Regeln zuerst beherrschen.”

Es gibt verschiedene Typen der Erzählung, Ich-Perspektive bekommt vor allem im Young-Adult-Sektor gefühlt Zulauf und in der Regel ist die in der Gegenwart, da der Ich-Erzähler erzählt, was ihm gerade passiert. Das macht man selbst ja auch in Gegenwartsform. Wenn du allerdings über etwas vergangenes erzählst, ist die Vergangenheitsform sicher zulässig. Was vergangen ist, ist nunmal vergangen.

Einen schnellen Überblick über die verschiedenen Erzähltypen verlinke ich mal hier: http://www.nownovel.com/blog/major-narrator-types/

Wie schon @NinaW geschrieben hat, Verboten ist nichts, aber: Ich habe schon von Forenmitglieder (nicht hier) gehört, denen der Verlag mitteilte, dass sie nur Texte im Präteritum annehmen. Wei viele dies wirklich tun, weiss ich nicht, aber geht man durch die Bücher und schaut darauf, so sieht man bei den in deutschsprachigen Ländern veröffentlichten, dass Präteritum das das mit Abstand häufigste ist.
Wenn du jetzt in der Ich-Perspektive und Präsens geschrieben hast und es gefällt dir so, dann biete es doch so an. Der interessierte Verlag wird sich dann vermutlich schon dazu äussern und du kannst es im Bedarfsfalle immer noch umschreiben.

Einen, wie ich finde, guten Überblick über die Erzählperspektiven ist hier auch in Deutsch zu finden:
http://wortwuchs.net/erzaehlperspektive/

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Kommt aufs Genre an; im Young Adult-Bereich ist “Ich-Gegenwart” gerade total in. In einem historischen Roman wäre diese Erzählform hingegen gewagt.

Der Vorteil der Ich-Gegenwart ist, dass man der Figur und ihren Gefühlen sehr nahe ist. Der Nachteil ist, dass man dabei allzu leicht ins Zu-viel-räsonieren gerät und die Handlung zu kurz kommt, was dann den Leser aussteigen lässt – es wird oft weniger ein Roman als eine Art Tagebuch, in dem eine Figur ganz viel über Gott und die Welt nachdenkt, und das müssen dann schon sehr interessante Gedanken sein, damit man am Ball bleibt.

Aber grundsätzlich kann man alles machen, vorausgesetzt, es funktioniert … (Ist das berüchtigte – und nicht unerfolgreiche – “Fifty Shades of Grey” nicht auch in Ich-Gegenwart geschrieben?)

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Da nunmal die Erlebnise meiner Hauptfigur sogleich auch der Haupthandlungsstrang ist, dachte ich eben, Gegenwartsform und Ich Perspektive wären gar nicht so verkehrt. Ich schreib mal so weiter, wenn ein Verlag meint, er würde es nehmen, wenns in der Vergangenheitsform ist, schreib ichs um. Die Ich-Perspektive bietet allerlei Vorteile, und da das Buch keine leichte Kost ist, soll das vermittelte wenigstens nahe sein. Wir werden sehen, ob überhaupt jemand dieses Werk veröffentlichen wird.

Schreib doch erst einmal so, wie dir das Schreiben liegt. Das ist noch der erste Entwurf, oder?
Ich halte es immer für schwierig bereits so früh das Manuskript auf ein mögliches Publikum anzupassen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber bei dem ersten Werk sollte erst einmal das Gefühl beim Schreiben stimmen. Verbiegen kann man das Werk hinterher immer noch.

Es ist sozusagen schon der zweite Entwurf, da ich die Geschichte schon jetzt umgestellt habe. Anfangs hätte es (fiktive) Memoaren werden sollen, nun ist es ein Roman, der aus dem Leben einer besonderen Frau erzählt. (viel auf realen Geschehnissen aufbauend, allerdings immer noch fitkion)

Ich habe gerade mal in eine Leseprobe geschaut. ist schon gut gemacht, Ich-Perspektive und Gegenwart.
Ich habe allerdings den Eindruck, dass diese Perspektive durchzuhalten eine große Disziplin erfordert.
“Fifty Shades of Grey” ist übrigens ebenfalls in Ich-Perspektive und Gegenwart geschrieben.

Ich kann mir vorstellen, dass es auch sehr schwer sein kann, so Spannung aufzubauen.
Hitchcock beschrieb Suspense ja mit dem Beispiel, dass es viel spannender ist, Leute an einen Tisch zu setzen, unter dem eine Bombe tickt und der Zuschauer das weiß, statt sie einfach explodieren zu lassen.

Wenn aber der Ich-Charakter nichts von der Bombe weiß, kann man sie auch nicht als MIttel verwenden.

Die Perspektive zu behalten, wenn man sich konstant im “ich” befindet ist nicht schwer. Schwer ist es, wie Sebastian anmerkt, die Geschichte so zu bauen, dass die ich Perspektive nicht langweilig oder einschränkend ist.

Das ist wohl wahr, ich hatte bei der Perspektive auch mehr an die Zeitform des Präsens gedacht. Das wäre mir etwas schwer fallen. Es gibt ja auch die Möglichkeit, Ich-Perspektive und Vergangenheit zu nehmen. Ich könnte mir vorstellen, dass das einfacher ist.

Angeregt durch diese Diskussion, habe ich am Wochenende eine Schreibübung in Form einer SF-Kurzgeschichte fabriziert. Der Erzähler (Ich-Gegenwart) erinnert sich immer wieder an Vergangenes (Ich-Präteritum). Dabei ist er mehrfach jemandem begegnet, hat selbst aber noch nicht verstanden, dass es sich um die selbe Person handelt. Der Leser hat allerdings bereits eine Ahnung (so er aufmerksam gelesen hat) und sollte entsprechend ungeduldig die weitere Entwicklung erwarten.
Deine Hitchcock-Bombe ist nicht leicht, aber es geht.
Ich muss sagen Ich-Perspektive ist echt anstrengend und man muss sich wirklich sehr auf die Zeitform(en) konzentrieren. Aber solche Schreibübungen machen wirklich Spaß.