Grammatikfrage indirekte Rede in der Vergangenheit

Ein ganz leise gehauchtes Hallo an die pap-Gemeinde,

ich schäme mich. Habe Deutsch als 1. Abiturfach gehabt und weiß es nicht (mehr) …

Handlung (Die gesamte Geschichte ist in der Vergangenheit erzählt):
Ein Mann geht in einen Fotoladen. Dort werden Probeaufnahmen von ihm gemacht, die er einem zweiten Mann zeigt und dabei erzählt, dass der Fotograf auch gute Videoaufnahmen macht.

Heißt es:
Seine Videoaufnahmen seien ebenso gut.
oder
*Seine Videoaufnahmen wären ebenso gut.
*
Ich bitte um eine ganz leise Antwort, damit ich nicht so auffalle.

Puh, harte Nuss … Ich denke mal, dass man hier keine direkte Regel ableiten kann, sondern dass es davon abhängt, was man hier erzählerisch in welcher Zeitebene ausdrücken möchte.
Sprich, ob man eine komplett abgeschlossene Vergangenheit erzählen oder eine (in der Erzählvergangenheit) zukünftige Aussage treffen möchte. Abgeschlossen: wären. Offener Erzählstrang in der Handlung: seien.

Formal betrachtet allerdings ist “seien” natürlich Gegenwart und “wären” Vergangenheit, damit liefert Deine Erzählzeit die Antwort. Du hast keinen “Rahmen”-Text mitgeliefert, aber Deine Beschreibung liegt in der Gegenwart → auf alle Fälle “seien” und nicht “wären”.

Später nachgetragen: Ah sorry, fairerweise hätte ich eine Einschätzung abgeben müssen: Das ist hier tatsächlich mehr Bauchgefühl von mir als echtes Regelwissen, besonders der obere Teil meiner Antwort.

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Das hilft doch schon. Ich habe deshalb keinen Rahmentext mitgeliefert, weil ich das “Problem” an unterschiedlichen Arten von Stellen habe. Meine Geschichte ist in der Vergangenheit erzählt, enthält jedoch auch Rückblicke innerhalb der Vergangenheit (ein gesamtes Kapitel und Teile innerhalb von Kapiteln). Innerhalb einiger Szenen gibt es einen Bezug zur “Gegenwart”, also jener Vergangenheit, die nach den Rückblicken stattfindet.

Dann muss ich mich ja doch nicht schämen.

Alfred zeigte Beat die Fotos. Beat meinte, es seien gute Fotos. Er fragte, ob der Fotograf auch Videoaufnahmen mache. Alfred antwortete, ja, die Videos seien ebenso gut.

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@Raya: Das ginge aber genauso gut mit “wären”.

@Suse: Übrigens würde ich die Konjunktiva im Belletristischen schlicht und ergreifend vermeiden (um nicht so hart zu sein und zu sagen: Sollte man einfach nicht tun!).
Das schreit doch geradezu danach, dass da eine auflockernde, belebende wörtliche Rede eingeführt wird …

Da hast du vollkommen Recht. Aber ich habe schon sehr viele Dialoge und wollte eigentlich einen Roman und kein Drehbuch schreiben. Die Umgebung kennt mein Leser an den entsprechenden Stellen auch zur Genüge (Stichwort: durchpilgern).
Ich bemühe mich um eine ausgewogene Mischung.

Wenn ich es richtig sehe, dann gibt die erste Form (seien) etwas wirklich Bestehendes wieder. Also, etwas, das besteht, wirklich ist und worüber jemand ein Urteil abgibt.
Der zweite Satz könnte auch eine Möglichkeit ausdrücken, das heißt, er könnte auf etwas Bezug nehmen, das gegebenenfalls noch nicht besteht. Wenn diese Videoaufnahmen aber gemacht würden, dann wären sie ebenso gut. So verstanden würde ich das Wort wären benutzen.
Er könnte aber auch eine Vermutung zum Ausdruck bringen. Z.B. folgende Situation: Ich sage zu einem Bekannten, dass ein anderer Bekannter mir gesagt hat, die Videos von XY wären genauso gut wie die von Z. Hier könnte das Wort wären als Synonym von seien verwendet werden und beides würde eine Wirklichkeit wiedergeben.

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durchpilgern=durchpilchern

Meine bescheidene Meinung:

seien”. Nichts anderes. Genau so wie in Rayas Beispiel. Und, nein, das ginge nicht genauso gut mit “wären”.

Sie seien genauso gut, sagt er. Sie sind es, und er weiß es.

Sie wären genauso gut, wenn er sie nicht immer derart verwackeln würde. Tut er aber nicht.

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Raya sagte, der Konjunktiv Präsens sei richtig, denn der Konjunktiv Präteritum wäre falsch.

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Sagte Grudo etwas anderes? (Keine Ahnung, zu viele Fremdwörter für mich.)

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Ich denke nicht, dass der Konjunktiv in der Vergangenheitsform (Präteritum) eine Abschwächung bedeuten muss. Und ich bin recht sicher, dass es einwandfrei zulässig ist - warum nicht?
Eher spielt hier eine aktuelle oder eine in der Vergangenheit liegende Situationsbeschreibung eine Rolle.

Warum die Vergangenheitsform hier falsch sei/wäre, steht bisher noch unbegründet im Raum (nicht, dass einer drüber fällt).

Ansonsten seh’ ich’s eher im möglicherweise differenten Sinninhalt, wie Theo.

Es gibt eine geregelte Sprache, die von Duden & Co. und von den Schulgrammatiken vorgegeben wird. Nach diesen Regeln wird die indirekte Rede in den Konjunktiv Präsens gesetzt. Es gibt Ausnahmen, wo der Konjunktiv Präteritum gesetzt werden muss. Es gibt aber keine Regel, dass der Konjunktiv nach Gutdünken oder freier Wahl gesetzt werden könne. In diesem Thread vertrete ich diese Position.
https://deutschegrammatik20.de/konjunktiv/umformung-direkte-indirekte-rede/
Es gibt aber auch eine Gebrauchssprache, in der “alles” möglich ist. Ebenso gibt es in der belletristischen Prosa sowie im Journalismus einen unendlichen stilistischen Freiraum. Diese Position vertritt Ulli.

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Neben der direkten Rede und der indirekten Rede gibt es eine dritte Form, den sog. Redebericht. Beispiel:
Alfred zeigte Beat die Aufnahmen, die dieser durchsah und anerkennend kommentierte. Als Beat mehr über das Angebot des Fotoladens wissen wollte, erzählte ihm Alfred von den Videoaufnahmen, die er gesehen hatte und die ebenso gut gewesen waren wie die Fotos, wenn nicht sogar noch besser.
Hat den Vorteil, ohne Konjunktiv auszukommen.

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Hm - die Regel (auf die ich ja auch schon Bezug genommen hatte) geht leider nicht auf den Fall ein, in dem die Erzählschiene von der Gegenwart in die Vergangenheit rutscht, und lässt diesen Fall offen.
Alle Beispiele auf der Duden-Seite sind von “außen” gekapselt betrachtet in der Gegenwart.
Nun kann man grübeln, ob denn der Konjunktiv zusammen mit der “Außenwelt” der indirekten Rede mit in die Vergangenheit rutscht. Ich halte das für denkbar und möglicherweise regelkonform - der Fall ist jedenfalls nicht erfasst, sofern man das “immer” nicht sehr eng begreift.
Immerhin gibt es diese Vergangenheits-Konjunktiv-Formen ja.
Aber letztlich sollte man schon innerhalb der Regeln bleiben, wenn es sie denn gibt. Ich tendiere bei Regeltreue jetzt durch Rayas Zitat eher zum Konjunktiv Präsens.

Die Redebericht-Form hat den großen Nachteil, dass der neutrale Erzähler zum göttlich beseelten Erzähler wird und wertet. Wenn man das nicht will, muss man vermeiden zu behaupten, dass die Aufnahmen und Bilder “gut” waren. Das ist letztlich nur Alfreds Meinung, die der Erzähler dann übernimmt.
Genau deswegen gibt’s ja den Konjunktiv.

Ich bleibe letztlich aber dabei - gestelzte Konjunktive finde ich eher schlimmer als - auch viel - wörtliche Rede. Ich würd’ die Leute einfach munter plaudern lassen, wie sie die Sachen finden, in ihren eigenen Worten.

Kann es sein, daß es heißen müßte: „Seine Videoaufnahmen seien ebenso gut gewesen.“ (???) — Also damals, wie sie heute eben auch noch sind oder halt nicht mehr sein mögen.

Seine Videoaufnahmen wären ebenso gut. — Das ist doch nur ein halber Satz (???). „Seine Videoaufnahmen wären ebenso gut (gewesen), hätte es damals nicht schon bessere Aufnahmen gegeben.“

Es gibt tatsächlich eine abgeschwächte Form mit Konjunktiv II, und tatsächlich hat sie eine spezielle Bedeutung. Aber die dazu gehörende Regel habe ich nirgendwo gefunden:
Beat meldete seinem Chef, er sei krank. (Tatsache)
Beat meldete seinem Chef, er wäre krank. (Ausrede)

Hier zwei weitere Links für Konjunktiv-Nerds:
http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Verb/Modi/Indirekte.html
https://mein-deutschbuch.de/konjunktiv-1.html

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Das ist halt einfach nur die Perfekt-Zeitform dieses Satzes.

@Raya: Spannende Diskussion - ist doch irre, auf was für Gedanken man so kommt, wenn man sich mal so detailliert in die Syntax vertieft …

Ist ein Konjunktiv aber nicht immer eine Relativierung des potentiellen Wahrheitsgehaltes einer Aussage? Das ist doch gerade der Grund, dass man ihn verwendet - Absicherung, dass man sich selbst von der Aussage an sich distanziert und durch den Konjunktiv nur die Aussage an sich wiedergibt, nicht aber überprüft hat oder bekräftigt.

Insoweit, da folge ich Dir, mag K2 mehr relativieren als K1 (und vom “Geschmack” her sogar in Richtung “potentielle Lüge” deuten), aber beide können ja aus der Natur des Konjunktivs heraus gar nicht “wahr” oder “falsch” als Aussage tätigen. Oder?

Von den Sprachen, die ich beherrsche, hat nur die deutsche diesen Konjunktiv, nicht jedoch die englische, französische und spanische.

Ist demnach diese Relativierung/Absicherung eine deutsche Eigenheit?

Vielleicht hängt es nicht nur vom Konjunktiv (I oder II) ab, sondern auch vom Kontext und von der Person, die spricht:

Alfred hatte uns eine Nachricht hinterlassen, dass Beat seit heute krank sei.
Beat hatte uns eine Nachricht hinterlassen, dass er seit heute krank sei.

Alfred hatte uns eine Nachricht hinterlassen, dass Beat seit heute krank wäre.
Beat hatte uns eine Nachricht hinterlassen, dass er seit heute krank wäre.

Und was ist mit der potenziellen Lüge bei direkter Rede?

Alfred hatte uns eine Nachricht hinterlassen: „Beat ist seit heute krank.“
Beat hatte uns eine Nachricht hinterlassen: „Ich bin seit heute krank.“

Eigentlich ist es eher die Unterstellung einer Lüge, oder dass ich das vielleicht differenzierter sehe.

„Alfred sagte mir, die Bilder vom Fotograf A sind besser als die von Fotograf B.“ (Ich glaube Alfred)
„Alfred sagte mir, die Bilder vom Fotograf A wären besser als die von Fotograf B.“ (Ich bezweilfe das jedoch in meinem Herzen)

Dass Alfred Beats Krankheit anzweifelt, würde ich so formulieren:
Alfred hatte uns eine Nachricht hinterlassen: „Beat sagt, er wäre seit heute krank.“

Ich hätte übrigens Deutsch gerne abgewählt :laughing: