Metatextuelle (Rand-)Glossierung (sog. Marginalglossen)

Hallo zusammen,

ich bin am Überlegen, ob ich einen aktuell bearbeiteten Text mit Marginalglossen versehe, statt am Ende des Werks (wie üblich) ein Glossar anzulegen. Zum einen finde ich es nicht sehr schön – das betrifft auch Endnoten in wiss. Texten [da möchte ich eigentlich immert Fußnoten haben]) --, dauernd hin- und herschlagen zu müssen, wenn es etwas zum jeweiligen Text hinten Angemerktes gibt; und zum anderen wirken auf mich Marginalglossen auch ästhetisch anziehend, also neben ihrem praktischen Nutzen.

Natürlich ist mir klar, daß das für lit. Texte mindestens ungewöhnlich ist, doch muß dies ja kein Kriterium für einen prinzipiellen Ausschluß sein, jdenfalls m.E. Und sinnvoll scheint mir es zumal, wenn ein Text nicht unbedingt vollends … ähm … „Allgemeinverständliches“ reflektiert – dann kann es für den Leser auch sehr praktisch sein, unmittelbar im Textzusammenhang Aufklärung zu erlangen.
Mich treiben neben diesen Dingen auch noch ein paar (text-)spezielle Überlegungen um, mindestens bei dieser Geschichte einmal mit solchen Glossen zu arbeiten, die mögen aber jetzt gerade auf sich beruhen.

Worum es mir geht und weshalb ich dazu ein Beispiel zu diesem Beitrag miteinstelle, hat folgenden Hintergrund:

1. Einmal möchte ich die hier zahlreich vertretenen technischen Expert(inn)en fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Art Formatvorlage für derlei Glossen in Anspruch zu nehmen (ich habe nichts dergleichen gefunden), also etwa eine für linke und eine für rechte Seiten, die die zu placierenden Marginalien jeweils ident (Randabstand, Umfluß usw.) anordnen, sobald eine generiert wird, weil das bei jeweils neuer Einzelanlage doch ziemlich „fummelig“ ist.

2. Zum anderen sehe ich da auch ästhetischen Beratungsbedarf, weil die Gestaltung solcher Glossen – also wie sie im Text zu Stehen kommen – durchaus viele Möglichkeiten in sich birgt.
Ich habe mir zwei Grundvarianten ausgedacht und möchte sie euch anhand eines kleinen Beispieldokument vor- und zur Diskussion stellen, wobei es im Grund nur um die Frage geht, wie mit mehreren Glossen auf einer Seite umzugehen sei (ich bin aber auch für ganz andere als meine Vorschläge offen und ebenfalls für Kritik an der Idee überhaupt).

Ich habe mich dabei von der Frage leiten lassen: Sollen zwei (oder allerhöchstens drei [aber eigentlich sollten drei m.E. die Ausnahme sein]) Glossen je einzeln in den Text „einstechen“ (was das heißt, seht ihr am BspDok) oder sollten sie dann als Block erscheinen? – Dazu wäre zu vergleichen, was ich auf S. 3 (einzeln) und auf S. 6 (Block) angelegt habe. Auf S. 2 ist eine einzelne Glosse eingefügt und auf S. 7 habe ich noch 'ne Farbvariante gemacht und eine Linie dazu gestellt.
Mich würde interessieren, was für oder auch gegen die jeweiligen Varianten spricht aus eurer Sicht. Oder ob man das ganz anders machen sollte oder sogar besser davon absehen.

Ich habe nur die beiden ersten glossierten Seiten mit inhaltlich einigermaßen passenden Glossen versehen und dann einfach kopiert, weil es ja eigentlich mehr um technische und ästhetische Fragen geht denn um den Text selbst. Und freilich wäre streng darauf zu achten, daß nicht zu viele Anmerkungen placiert werden. Deren Fülle im mitgelieferten Text dient hier nur der Variantendarstellung.

Über Statements würde ich mich sehr freuen (und ja: der Text selbst hat einen kleinen inhaltlichen Bruch ([er ist aber markiert als solcher], weil ich da etwas im Umfang etwa einer Seite rausgelöscht habe, das bisher noch nicht "öffentlichkeits"tauglich ist).

Viele Grüße von Palinurus

EineLebensform_Kap01_Vs2_Glosse.pap (22.9 KB)

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Ja, danke, ein guter thematischer Anstoß. Randglossen stellen in der Tat ein recht beliebtes Feature besonders in Lehrbüchern dar. Von vornherein ist klar, dass ihre Umsetzung auch vom Medium abhängt, also epub-tauglich sind sie m.W. nicht, aber das pdf-Format stellt natürlich kein Problem dar.

Die Positionierung als eine in den Haupttext hineinragende ist ästhetisch nicht unmöglich (auch farbig ist eine Idee, aber so in die Seiten-Ecke gedrückt kommt bestimmt nicht so gut), aber am klarsten ist natürlich, wenn die Glossen ihren eigenen separaten Bereich haben. Es ist natürlich ein Luxus, dem Haupttext so viel Platz wegzunehmen, aber es gibt auch sonst manchmal Bücher mit einer großzügigen Raumaufteilung.

Technisch bringt Papyrus natürlich einige Voraussetzungen mit. Und hier ist die separate Glossierung auch im Vorteil. Man definiert einfach den Haupttextrahmen entsprechend schmal genug, um auf dem freibleibenden reservierten Rand die Gossen einsetzen zu können.

Zur Vereinfachung der sauberen einheitlich bündigen Einsetzung setze man magnetische Hilfslinien. Für die Glosse selbst definiere man ein Muster-Textobjekt mit eigener Formatvorlage für den Text und platziere das in die Pinnwand zum wiederholten Abruf.

Ich bekomme direkt selbst Lust, einen Mustertext zu erzeugen, aber rudimentäre Demonstrationen zum Thema bieten unter den mitgelieferten Beispiel-Dateien im Papyrus-Autor-Ordner die Dokumente “Magnetraster” und “Randnummern”.

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Man kann tatsächlich - das ist ein Stück des Weges - Textobjekte in einem (sinnvollerweise dickeren) Rand auch als Marginalie verankern (Grafikobjekt-Eigenschaften → Verankerung).

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Lieber Waldfried,

ich schließe aus dem oben Gequoteten, daß dich meine Idee, die Glosse:thumbsdown: etwas in den Text hineinragen zu lassen, nicht sonderlich begeistert. Meine erste Intention war hierbei natürlich, Rand „zu sparen“. Aber ich muß sagen, daß mir (zumindest eine einzelne auf der jeweils betroffenen Seite), etwas in den Haupttext eingerückt, auch optisch ganz gut gefällt. Sind es mehrere, ist es dann eher nicht so schön. Da man jedoch ganz sicher nur ein Design realisieren sollte, werde ich da – vom Ästhetischern her – sicher noch ein wenig herumhirnen …

Ursprünglich wollte ich sowieso, wie du es zu präferieren scheinst (und @Ulli wohl auch), ganz „klassisch“ vorgehen und Randplatz reservieren. Wenn ich zu dieser Lösung kommen sollte, stellt sich mir eine weitere Frage, die sowohl technische als auch ästhetische Aspekte nach sich zieht, die ich ebenfalls zur Diskussion stellen möchte. Und zwar anbei der Überlegung, ob es machbar wäre, Seiten ohne Glossen mit „normalem“ Rand stehen zu lassen und nur auf jenen, wo welche angebracht werden, einen extra Spiegelsatz zu erzeugen (denn ganz sicher werden die meisten Seiten keine Marginalnotate aufweisen). Hieße dann also, daß im Dokument zwei Arten von Satzspiegeln auftreten würden: Dort, wo keine sind, wäre ein engerer Rand und ansonsten ein breiterer (wobei jeweilige Doppelseiten sicher immer den gleichen Rand hätten. Oder?)

Meine Frage:thumbsdown: dazu:

  1. ästhetisch: Wäre das vorstellbar (spontan fiele mir nichts ein, was dagegen sprechen würde).

  2. technisch: Ist das in Papyrus realisierbar? – Ich meine das so: Falls dazu eine Formatvorlage zu verwenden wäre, könnte ich dann trotzdem noch eine andere Formatvorlage – z.B. die für Zitate – darin „laufen lassen“ (das wäre nämlich wichtig)? Und wenn nicht, wie würde das anders realisierbar sein? Geht das überhaupt? – Also wie könnte ich, sobald eine Marginalie zu stehen käme, schnell und unkomliziert die entsprechenden Doppelseiten – möglichst automatisiert – mit einem anderen (Rand-)Format versehen als die normalen.

  3. auch technisch: Wäre es in einem solchen Fall möglich, eine Art „Seitenvorlage“ herzustellen, die gleich eine Textbox als Glossen-„Eintragsstelle“ enthält (also von der ersten bis zur letzten Zeile der Seite läuft), so daß ich dann nach Bedarf Glossen setzen kann und sie über Zeilensprünge an der je richtigen Stelle placiere)? Denn dann sparte man sich ja das Anlegen mehrerer solcher verankerten Boxen.

Danke übrigens für den Tip mit der Vorlage ‚Randnummern‘. Habe ich mir gleich angesehen.

Nachtrag: Im Übrigen produziert die Veröffentlichung als PDF ein perfektes Abbild der Papyrus-Vorlage, derweil M$ Word (docx) weder mit den Marginalien noch mit der Linie umgehen kann. Sie werden alle zusammen am Dokumentende, völlig „verschwurbelt“ in den Haupttext „gemengt“. Daneben auch nicht mit dem Blocksatz: Alle letzten Zeilen vor einem neuen (weichen) Absatz werden „gedehnt“ …

Viele Grüße von Palinurus

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Doch, ich bin vollauf davon begeistert. Wenn es für mein Genre nicht so völlig unüblich wäre, würde ich darauf gerne zurückgreifen. Allerdings wäre das in meinem Fall wirklich übergriffig und dazu geeignet, die Leserin aus dem Buch rauszureißen.
Aber bei deinen Texten wirklich sinnvoll, wenn ich auch fürchte, dass die Randglossen mehr Text enthalten als die eigentliche Seite.

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Das ist eine gute Idee und wie Waldfried ja schon geschrieben hat, auch ein gern genutztes Feature bei Sachbüchern. Ich hätte noch einen kleinen Ergänzungswunsch (der Ulli wahrscheinlich endgültig in Verzweiflung stürzt): Es wäre schon, wenn man diese Glossen mit einer automatischen Alternierung versehen könnte (optional), so dass je nach dem, ob es eine gerade oder eine ungerade Seite ist, die Glosse links oder rechts angeordnet wird, so dass sie bei einem gedruckten Buch immer an der Außenkante einer Seite angeordnet sind und nicht zum Buchrücken hin.

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Lieber Duane,

m.E. gibt es fast in jedem Buch diese oder jene Gelegenheit für eine Marginalglosse. Und ehrlich gesagt: Weniger ist mehr! Viele Glossen stören den Lesefluß enorm, wie meine diversen Versuche inzwischen zeigen – von daher ist Zurückhaltung unbedingt angesagt.

Aber andersherum: Wenn gelegentlich mal eine zu stehen kommt, kann das neben dem informativen surplus m.A.n. durchaus auch eine ästhetische Bereicherung sein. Und von daher denke ich nicht, daß du „übergriffig“ gegenüber Leserinnen würdest, wenn auch in deinen Texten gelegentlich mal eine zu stehen kommt.

Deine Befürchtung vermag ich – da mir Ähnliches vor Augen steht :scream: – gut nachzuvollziehen. Jedoch würde ich mir einen sehr aszetischen Umgang mit Glossen auferlegen (bei Nichtbeachtung mit strengster Selbstbestrafung verbunden) und wohl (leider) auch Abstand davon nehmen müssen, sie in den Text „stechen“ zu lassen (es sei denn, ich nehme nur eine ganz minimale Überschneidung).

Im Grund genommen ist das aber vielleicht gar nicht so tragisch, weil gewisse Erläuterungen ja durchaus auch trotz einiger Glossen im Text noch hinten (in einem Anhang o.ä.) zu stehen kommen können; was im Fall der Novelle, wovon ich ein Fragment als BspDok verwendet habe, ganz sicher notwendig wäre: In der eigentlichen Story geht es nämlich – vom üblichen BlaBla, erotischen Einlagen und allerlei anderem abgesehen – v.a. um das Problem der Willensfreiheit unter den Auspizien diverser Vorstellungen von ‚Schicksal‘ --, nicht zuletzt auch vom gestesgeschichtlichen Kontext des entsprechenden philosophischen Problems aus betrachtet.
Wenn die Geschichte dabei nicht unnötig aufgebläht werden soll (mir schweben 120 bis ca. 150 Seiten vor 'ne Novelle halt!]), muß natürlich dann einiges in den Anhang gepackt werden, für weiters interessierte Leser halt, die dabei freilich auch auf ihre Kosten kommen werden, weil die geistesgeschichtliche Dimension der augustinischen Freiheits- und Prädestinationsfrage eigentlich ein realweltlicher, als historisch verbürgter Krimi sondersgleichen ist, besonders in Zusammenhang mit Gottschalk von Orbais.

Will sagen: Ich werde es wahrscheinlich so ähnlich halten wie Christoph Ransmayr in seinem unsagbaren Roman *Die letzte Welt *-- eine exorbitante „Anders“-Fassung der Ovidschen Metarmorphosen; unter erzähl-integrativem Einschluß seiner historischen Autorfigur … eben Ovid. Ransmayr hat dazu ein schönes Glossar mit den vielen mythologischen Konstellationen, die Nichtkennern Ovids natürlich kaum vertraut sind, an den Roman gehängt, damit die hochpoetische und sehr subtile Gestaltung der Story nicht zu sehr unter erläuternden Einlagen ersticke.
So möchte ich auch vorgehen, nur mit dem Unterschied, ein paar mir im Text unentbehrlich erscheinde Glossen zu setzen, um wenigstens etwas ideengeschichtlichen Kontext gleich im Lektüreakt selbst „mitzugeben“.
Mal sehen, was draus wird.

Viele Grüße von Palinurus

@RalfG und alle anderen - das geht doch …

Dokument mit breitem Rand gespiegelt anlegen.
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Ein Textobjekt in den Rand legen …

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… und passend verankern.

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Rutscht die Seite jetzt auf „links“, dann wird auch die Marginalie gespiegelt. Das hier ist dieselbe Marginalie wie oben - ich habe nur vorher eine Seite eingefügt, so dass der Text jetzt auf einer linken Seite steht. Die Marginalie rutscht automatisch in den jetzt breiten linken Rand:

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So ein Marginalien-Textobjekt kann man sich auf die Pinnwand rechts legen und von dort immer mit gedrückter „Strg“-Taste (Mac: „Alt“) in den Text kopieren.

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Super! Das war mir so nicht bewusst. Danke Ulli!

Lieber @Palinurus ,

Annotationen finde ich bei Texten wie Deinen äußerst hilfreich. Und sie direkt in den Text zu integrieren, statt mich zum ständigen Umschlagen ans Buchende zu zwingen (furchtbar!): genau so, bitte. Da ist für mich die Ästhetik sekundär, da es mir lieber ist, einen Text verstehen zu können um den Preis, daß die Seite vielleicht weniger hübsch aussieht, als eine hübsche Seite vor mir liegen zu haben, deren Sinn sich mir nicht vollständig erschließt.

Da Du aber ausdrücklich auch nach der Ästhetik fragst: Unter den von Dir erstellten Beispielen habe ich keine Präferenz. Bevorzugen würde ich eine Variante, bei der die Annotation am Rand steht und nicht in den Text hineinragt. Das sieht einfach sauberer aus.

Noch eine kleine Anmerkung: Eventuell würde ich den Duktus der Annotationen zum Teil ändern. Ich habe mich - und das kann ausschließlich an mir liegen - von der Art der Formulierung her ein bißchen belehrt gefühlt; als wäre ich eine Schülerin, der ein Lehrer etwas erklärt. Für meine Leseerfahrung sind Annotationen angenehmer, wenn sie komplett sachlich formuliert sind, evtl. sogar stichpunktartig.

Als Beispiel:

  • “Julian war Bischof in Eclanum und wandte sich gegen Augustins Gnadenlehre.” Hier fühle ich mich durch das Erzählerische persönlich angesprochen und belehrt. Die Annotation nimmt mich quasi an die Hand und sagt: Schau mal, damit Du das verstehst: So war das damals.

  • “Julian: Bischof in Eclanum, Gegner von Augustinus’ Gnadenlehre.” Wäre mein Vorschlag. Durch das Fehlen des Erzählerischen wirkt das auf mich rein sachlich, nur die Fakten transportierend, ohne mir zu unterstellen, daß ich das nicht weiß. Was paradox ist, denn wenn Du davon ausgehen würdest, daß Dein Leser es weiß, würdest Du die Annotationen nicht nutzen; trotzdem ist es für mich so. Besser kann ich es leider nicht verdeutlichen; ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.

Viele Grüße und einen schönen ersten Advent!
Buchling

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Liebe Buchling,

danke für dein Feedback. Ich werde wahrscheinlich, wie auch von dir empfohlen, auf haupttextseparierte Glossen gehen. Und was den Inhalt der Beispielglossen angeht, so habe ich die paar gesetzten eigentlich bisher nur des optischen Eindrucks wegen “betextet”, aber nicht schon “mit Verstand” ausgefüllt. Wie du richtig anmerkst, ist etwa die zu JvE ja gänzlich nichtssagend. Ich hab mir keine Gedanken um den Inhalt gemacht, sondern wollte nur “einen Eindruck” vom Satzspiegel erzeugen …

Gruß von Palinurus

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