Ich denke, einer der Hauptgründe für die Monopolstellung von MS Office dürfte in der banalen Tatsache liegen, dass die Konkurrenz den Zeitpunkt verschlafen hat, als MS begann, ganz konkret in Schulen, an Unis, in Verwaltungen u.v.a.m. aggressiv und weltunspannend für sein Produkt zu werben. Denen war nämlich klar, dass dahinter das damals noch ungeschriebene Gesetz stand: Einmal Word & Co, immer Word & Co.
Ist ja auch logisch; wer sich einmal für Word & Co entschieden hatte, würde sich eher die kostengünstigen Neuversionen oder updates kaufen und sich freuen, was es an neuen Funktionen gibt, als sich komplett in ein neues Programm einarbeiten, von dem er nicht einmal weiß, ob es auf Dauer wirklich besser ist.
Die Käuferschichten, die MS sich damit erschloss, mussten zwangsläufig vorher woanders abgewandert sein. Und das bedeutete letztlich das Aus für viele ehemalige Konkurrenzprodukte, die einfach den Zeitpunkt verschlafen haben, wo MS mit aggressiver Werbung begann, den Markt zu überfluten.
Dazu kommt, dass Mitte der 90er Jahre kaum einer der schreibenden Masse die feinen Unterschiede zwischen beispielsweise Word 6.0 und Word Perfekt 6.0 wahrnahm (so wenig diese Masse heute die gelungenen Feinheiten von Papyrus wahrnehmen dürfte). Hauptkundschaft waren das Briefe u.ä. schreibende Bürovolk (in Klein- und Großfirmen und Verwaltungen) und Schüler/Studenten, die an ihren jeweiligen Bildungsplätzen Word & Co vorfanden und sich damit automatisch auseinandersetzen mussten. Hier gilt die alte soziologische Erkenntnis, dass womit man die Jungen füttert, später auch die Alten kaufen würden. Buchautoren und andere „Langtextschreiber“ waren nie das Publikum, um das sich diese Programmschmieden gekümmert hatten – einfach weil diese Minderheit nicht für jenen Umsatz sorgte, der im Verhältnis zum Programmieraufwand notwendig wäre.
Zweiter entscheidender Punkt war: Je mehr eine Monopolstellung ausgebaut werden kann, desto mehr kann den Konkurrenzprodukten die eigene Philosophie aufgedrängt werden, will im Fall Word & Co heißen: Die Konkurrenz musste sich, wollte sie wenigstens ein kleines Stück des Kuchens haben, kompatibilitätbezogen dem Monopolprodukt dergestalt nähern, dass ein Datenaustausch zwischen ihren Produkten und MS möglich wurde. Genau damit aber wurde die Monopolstellung noch weiter zementiert - ein Umstand, der heute in vielen Köpfen teilweise kindliche Trotzreaktionen hervorruft, aber vom Prinzip her ganz einfachen Marktgesetzen folgt.
So, langer Rede kurzer Sinn:
Programmierschmieden brauchen immer zwei Dinge:
Gute und vor allem flexible Programmierer UND gute und noch flexiblere, und vor allem visionäre Vertriebsstrategen. Mlennartz hat es in seinem Beitrag zum Thema „Papyrus die nächste Generation“ ganz vorsichtig angeschnitten: Wer nicht in zukunftsträchtige Systeme investiert, wer, mit anderen Worten, nicht in der Lage ist, in einem großen Bahnhof auf den Zug aufzuspringen [oder sich zumindest von ihm mitziehen zu lassen…], der als erster abfahren wird (auch wenn dieser Zug jetzt noch steht…), der muss damit rechnen, dass ein anderer das macht, der auch gute Ideen hat und, wie MS in den 90er Jahren, einfach schneller ist.
Zwei der m.E. entscheidenden Marktlokomotiven heute sind, zumindest unter Windows, MS und Adobe. Wer auf diese Züge springt oder sich zumindest dort anhängt, dessen Zukunftsaussichten sind nicht schlecht, vor allem, wenn er eine Marktnische im Griff hat.
Dabei ist nicht unbedingt die noch nicht ausgereizte Potenzialität eines Programms einscheidend, sondern der Markt, der leider anderen Gesetzmäßigkeiten folgt – leider auch für Autoren wie mich…