Reinkarnation und Unsterblichkeit

Hi,

wo ist der Unterschied? Eigentlich ist es ja klar. Reinkarnation setzt voraus, dass ich zuvor sterbe und dann eben wiederkomme, mal sehr einfach und modellhaft ausgedrückt, damit die Frage nicht schon zu kompliziert wird.

Hintergrund sind Überlegungen zum Thema Seele und dass der Mensch m. E. nach die Seele für sich in Anspruch nimmt. Der Aufhänger ist immer noch mein Roboter-Roman (siehe https://www.papyrus.de/forum/threads/meinung-zu-künstlicher-intelligenz.7912/page-5#post-71044 ).

Ein wichtiger Unterschied für mich: Die Reinkarnation könnte einen Wechsel der beseelten Lebensform mit sich bringen. Und selbst wenn ich Mensch bliebe, wäre ich ggf. eben ein anderer Mensch. Die Chancen für drastische Veränderungen stünden wohl ganz gut.
Die Unsterblichkeit jedoch müsste sich mit mir streiten, ab wann ich keine Lust mehr auf schleichende Evolution habe und einfach so bliebe, wie es mir gerade gefällt - eine Ewigkeit als Couchpotato.

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Genau, sterben und wiederkommen —> Reinkarnation.
Unsterblichkeit kann meiner Meinung nach durch Reinkarnation funktionieren, muß es aber nicht (und würde voraussetzen, daß der Reinkarnierte sich an seine früheren Leben erinnert, sonst würde er ja quasi ein neues Leben führen).
Unsterblichkeit bedeutet zunächst einmal für den Körper, nicht zu altern und nicht zu sterben, jedenfalls nicht von alleine. Der klassische Vampirmythos zum Beispiel beinhaltet Unsterblichkeit, aber keine Reinkarnation.

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Hallo Suse,

bzgl. eines unterstellten Unterschiedes zwischen Reinkarnation und Unsterblichkeit merkst du an:

Die Frage aller Fragen in diesem Komplex ist freilich: Was soll es denn eigentlich genauers heißen, daß “ich sterbe” … und dann (angeblich) “wiederkomme”? – Da es sich um eine anthropologische Grundfrage handelt, ist es nicht verwunderlich, daß Antworten darauf praktisch die ganze Menschheitsgeschichte durchziehen – also mindestens seit dem Paläolithikum --; und genausowenig muß es verwundern, wenn diese Fragen v.a. in religiösen Kontexten akut werden (später dann auch in philosophischen) und v.a. dort diverse Antworten darauf erteilt wurden und werden.

Ich werde dazu ganz kurz eine grundsätzliche Überlegung voranstellen: Wenn es heißt, jemand sei tot (i.S. von “‘gestorben’ bis zum Ende”) und dann habe diese Person [sic] sich entweder reinkarniert oder sei in Gestalt ihrer unsterblichen Seele “in den Himmel” oder “in die Hölle” – bzw. umwillen einer “Seelenreinigung” erst noch in ein Zwischenreich wie das Purgatorium (vor dem Himmel) gekommen --, so setzten all diese Beschreibungen eines voraus, und zwar (logisch) zwingend: Irgendetwas an diesem Person-Sein muß trotz des Überschreitens der Todesschwelle ident geblieben sein! Denn wäre dem nicht so, ergäbe es keinen Sinn zu sagen (etwa für den Fall der Reinkarnation): “Ich bin wiedergekommen” bzw. “ich – etwa in Form meiner Seele – bin jetzt im Himmel” und vulgo unsterblich.

Es scheint klar, daß der identische Kern im ‘Ich’ liegt (bzw. in dem, worauf die grammatischen Dritte-Person-Formen weisen, sofern bei solchen Themata von jemand anderem als uns selbst die Rede ist). Und es ist weiters klar, daß damit etwas vom Körper Unabhängiges gemeint sein muß, denn der Todesbefund, der ja die Rede von ‘Reinkarnation’ bzw. ‘Unsterblichkeit’ überhaupt erst sinnvoll macht, kann sich in beiden Fällen ja nur auf den Körper beziehen (stürbe “das andere” mit, wäre solche Rede ja ersichtlich vollkommen absurd und hohl!). – Daraus folgt einerseits, daß der Mensch eine konsistente körperliche Unsterblichkeit nicht denken kann (das zeigen auch Vampir-, Wiedergänger- und andere Konstrukte solcher Couleur: Irgendeine Möglichkeit, sie zu töten oder daß sie sterben, gibt es immer [die christliche theologische [I]Konstruktion der vorgeblichen “leiblichen Auferstehung” im Paradies blende ich hier bewußt aus])! – Und andererseits kann daraus etwas abgeleitet werden, was für die Threadfrage wichtig ist: Einen grundlegenden, alles trennenden Unterschied zwischen Reinkarnation (R) und Unsterblichkeit (U) kann es ergo nicht geben, sondern man kann höchstens fragen, ob die R überhaupt ein akzeptables Konzept wäre, wenn es die U nicht gäbe …
Das will sagen: Ich kann zwar die U konsistent ohne R denken (nämlich dann, wenn ich “rein Unkörperliches” – wie etwa die Seele – für unsterblich halte), aber es wäre absurd zu unterstellen, es gäbe R, wenn es keine U gäbe. Das folgt aus obiger Vorüberlegung: Man kann nicht von sich selbst oder jemand anderem sagen, sich [sic] reinkarniert zu haben, wenn nichts am Vor- und am Nach-R-Zustand identisch ist (Gleichheit reicht hier nicht!, es muß tatsächlich “irgendetwas daran” ident [geblieben] sein). Das wäre (sprach-)logischer Unsinn, ganz abgesehen vom Funktionieren des sog. “gesunden Menschenverstandes” …

Es ist also so: Der Unterschied zwischen U und R besteht letztlich nur darin, daß man eine U ohne R denken kann, ohne der Unlogik zu frönen, was aber vice versa nicht funktioniert! Eine R ohne unterstellte U ist etwas konsistent Nicht-Denkbares, ein unlogischer Quadratquark, schlichtes Sprachbrei-Breittreten!
Ich erwähne das extra, weil es bspw. einige hinduistische u.a. R-Konzepte gibt, die ein vorgebliches “Verlieren des Ichs” beim Re-Inkarnationsprozeß postulieren; und es gibt westliche esoterische Adepten solcher merkwürdigen Vorstellungen, die nicht für einen Groschen zu denken vermögen und solchen Unfug wiederkäuen, ohne zu merken, daß das so natürlich nicht geht und sie sich dabei zum Obst machen …
Wer wieder[sic]geboren wird, hat folglich “etwas mitgenommen” aus dem vorherigen Leben; und da es nicht das Körperliche ist (solche Lehren sind mir jedenfalls nicht bekannt), muß es etwas vom Bewußtsein, vom Geist, von der Psyche sein, das bereits vorher (mit dem inzwischen abgestorbenen Körper) instantiiert gewesen ist. Das in irgendeiner Weise mit Ich-Funktionen zu identifizieren (es müssen keinesfalls alle vorher gegebenen sein [vgl. dazu etwa diverse buddhistische Lehren]), mindestens aber mit solchen des Selbst(-Bewußtseins) – die beiden gehen nicht ineinander auf, auch wenn der Alltagssprech das suggeriert! --, ist naheliegend.

Fazit (1): ‘Sterben’ bzw. ‘tot sein’ bedeutet im Dunstkreis von U- und R-Lehren das Sich-Auflösen … ähm … “Verschwinden” von Körperlichkeit bei Erhalt irgendwelcher psychischen Instantiierungen, nenne man sie nun ‘Seele’, ‘Bewußtsein’, ‘Geist’ oder wie auch immer. – Im “reinen” U-Modus bleiben diese – potentiell ewig – erhalten, wobei im Christentum auch ein “neuer Leib” instantiiert werde (und bedingt in einigen altorientalischen u.a. Religionen ev. sogar der “alte Körper” – verjüngt oder ähnlich – erhalten bliebe). Im R-Modus bleibt die psychische Komponente, wenigstens tlw., auch erhalten (das ist der “U-Anteil” daran), während sie aber im Unterschied zur “reinen U” dann einem irdisch neu inkarnierten Körper implantiert wird.
Aus anthropologischer und auch religionswiss. Sicht ist das insofern hochinteressant, als sich an diversen archäologischen, ikonologischen und hermeneutischen Erkenntnissen in diesem Feld zeigt, daß der U-Glaube primär wohl aus dem Unvermögen des frühen Menschen (mindestens bis zum Cro-Magnon) resultiert, sich überhaupt konsistent entwickeln (also “vorstellen”) zu können, was es mit dem – ja auch für uns immer noch kaum begreiflichen – Phänomen des Todes auf sich hat.
Max Raphael etwa hat daraufhin etliche franko-kantabrische Höhlenbild-Ensembles abgeklopft und sie mit späteren mythologischen und ethnologischen Befunden verglichen. Mit dem Ergebnis (in Einzelheiten sind seine Theorien darüber manchmal sehr abenteuerlich, aber der Gesamtbefund ist durchaus bedenkenswert), daß die allersten religiösen Regungen des Menschen wohl v.a. um dieses Problem kreisten und eine erste Lösung darin fanden, daß der paläolithische Mensch den Tod schlicht ignorierte und real verstorbene Familien- und Clanangehörige – auf anderer Ebene übrigens genauso die als Jagdbeute getöteten Tiere (vgl. dazu jetzt auch R. Calassos grandiosen Essay Der Himmlische Jäger) – als immer wieder reinkarniert imaginierte (etwa in deren Enkeln).
Kurz: Der Tod existierte in dieser Welt de facto nicht! Das Phänomen des Gestorbenseins wurde als “Zustandsänderung” interpretiert, und zwar in der Weise, daß sich der alte oder kranke oder verwundete Körper eines plötzlich Toten in einem neuen Familien- oder Clanmitglied … inkarnierte.
Raphael gibt Indizien an – in Höhlenbildprogrammen und mythologischen resp. ethnologischen Fakten konserviert --, die die entsprechenden Riten und Kulte widerspiegeln sollen, mit deren Hilfe diese Reinkarnationen angeblich bewerkstelligt wurden. Er unterstellt dabei sogar einen rituellen Koitus mit den Toten, wofür es auch etliche Hinweise gibt.

Auf andere Weise, aber auch nicht ganz unplausibel, kam schon Karl Meuli bei seinen Untersuchungen archaischer und griechischer Opferbräuche zu ähnlichen Ergebnissen (Raphael bezieht sie in seine Überlegungen auch ein). Dabei geht es v.a. um die vieldiskutierten Knochenopfer. – Auf der ganzen Welt wird beobachtet, daß archaische Gesellschaften oft bemüht sind, das Skelett von Beutetieren integer zu halten und nur das Fleisch zu verzehren (man denke hier auch an die berühmte Opferstiftung von Mekone, wie sie Hesiod zwischen Prometheus und Zeus beschreibt). Der Grund: Nur ein integres Knochengefüge garantiert die Wiedergeburt! Wer dagegen verstößt, wird hart bestraft (die mythologische Liste solcher Fälle ist lang und lehrreich!). Das heißt: die archaische Vorstellung war, daß das Fleisch eines toten Körpers ersetzbar war, nicht jedoch das Knochengefüge. – Noch der christliche und auch jüdische sowie islamische Furor gegen Brandbestattungen lassen Reste dieses äußerst archaischen Glaubens erkennen. Und man sieht daran, daß das R-Schema Entwicklungen durchlaufen hat, während die Vorstellungen von der U seit dem Paläolothikum quasi konstant sind …

Fazit (2): Nimmt man diese historische Perspektive ein, ergibt sich ein tlw. vielleicht etwas erstaunliches Bild: Denn dann muß konstatiert werden, daß der oben erhobene dualistische Befund – körperlicher Tod vs. “geistiges Weiterleben” – ein Ergebnis von Entwicklung und nichts “Anfängliches” ist. Das resultiert aus den unterstellten paläolith. Anfängen: Wenn daran etwas wahr ist, hatte der archaische Mensch nämlich ein durchaus massiver “materielles (Welt-)Verständnis” als modernere Kulturformen (abgesehen von der monumentalen Idiotie des rezenten “weltanschaulich”/ideologisch motivierten Empiriefetischismus). Sonst wäre schwerlich erklärbar, warum die ursprünglichen R-Konzepte dem Körperlichen einen irreduziblen Anteil zumaßen (Skelett) und es damit dem “Geistigen” quasi gleichstellten. Insgesamt spricht das vielleicht für eine eher holistische Insichtnahme des Menschlichen, etwa beim Cro-Magnon, was man auf bestimmte Weise beinahe schon … ähm … humaner nennen könnte als die später installierten, teils kruden und widerlogischen Dualismen.

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Danke für eure sehr unterschiedlichen und doch in einem Punkt gleichen Antworten. Ich muss mir für meine speziellen Anforderungen an meine Geschichte gar keine Gedanken über einen Unterschied machen und werde mich daher darauf beschränken, die Seele für den Menschen zu “reservieren” in alle möglichen Richtungen und mir irgendwie ein oder zwei interessante Aspekte dazu herauspicken. Das arme Denkbrett …

Suse, dein Denkbrett dürfte so langsam kurz vor dem Burnout stehen :wink: :smiley:

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Hallo Suse

Bin selbst gerade dabei mich in einer meiner Geschichten mit Ähnlichem auseinanderzusetzen.
Meine Überlegung stellt sich derzeit so dar:

Er dachte über die Erinnerungsdatenbank nach. Es war die seinige aber sehr viel umfangreicher im Inhalt, als er es bisher gewusst hatte. Eigentlich nicht möglich, da er sie ja selbst gefüllt hatte. Aber es waren auch Erinnerungen in ihr enthalten, die zwar die Seinen waren, aber nicht nur aus seiner Existenz als Maschinenmensch, sondern offensichtlich auch aus allen seinen Existenzen vorher.
Das erschien ihm unmöglich zu sein. Denn, um eine vollständige Erinnerung aus dem Vorleben mitzunehmen, war notwendig, dass die Vernetzungsstruktur, die das Bewusstsein aufnahm, identisch mit der war, aus der es kam. Dies war beim Übergang vom Kybernetikmensch hin zum Maschinenmenschen nicht gegeben. Als kybernetischer Mensch besaß man noch immer ein biologisches Gehirn. Nicht so der maschinelle Mensch. Ein Bewusstsein konnte aber immer nur seine existierenden Erinnerungen mitnehmen, wenn die Struktur ein und dieselbe war. Denn Erinnerungen manifestierten sich, über das Leben an sich gesehen, anhand einer sich dabei bildenden Vernetzungsstruktur.

Anders formuliert.
Ich betrachte das ‘Ich’ als Bestandteil der neuronalen Vernetzung des Gehirns. Heißt für mich, dieses ‘Ich’ formte sich während meines Lebens und bildet in sich, mein ‘Ich’ ab.
Als Unsterblicher würde sich das nicht ändern. Außer dem, weiter so mit dem bilden.
Als Reinkarnation müsste ich sterben, sprich meine neuronale Vernetzung, mein ‘Ich’ (mitsamt aller meiner Erinnerungen) würde sich auflösen. Ein «Weiter so», würde nur möglich sein, wenn meine Erinnerungen (mein Ich) sich wieder in derselben neuronalen Vernetzung, eines dann neuen Körpers (Gehirns), abbilden könnten.

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Es hat schon eine entsprechende Auszeit beantragt.

Also 9x9 Meter Fläche ist der Unsterblichkeit schon recht nah. Da kommt noch nicht einmal das Denkbrett-Vorbild - Andreas’ Kleiderschrank - ran.

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Hallo Andreas,

falls das Ich tatsächlich „Bestandteil der neuronalen Vernetzung des Gehirns“ sein sollte, ist dein Argument gut nachvollziehbar. Allerdings ist es mehr als nur ein bißchen unwahrscheinlich, daß das Ich sich „rein neuronal“ erklären ließe. Dagegen sprechen nicht nur mehr oder weniger „reine“ bewußtseinstheoretische Erwägungen, sondern auch anthropologische (v.a. phylogenetische, die Sprach- und Denkentwicklung betreffende) in Zusammenhang mit linguistisch-sprachphilosophischen auf der ontogenetischen Ebene.
Das kann hier natürlich nicht weiters ausgewalzt werden. Anmerken möchte ich aber zumindest, daß die Ausbildung von Sprach- und Denkfertigkeit allein schon im ontogenetischen Sektor – in der Phylogenese ist die Sache noch viel komplexer – ohne Berücksichtigung von maßgebenden intersubjektiven Strukturen überhaupt nicht darstellbar ist und deshalb sämtliche Hirn- und Neuromythologien in diesem Feld zwingend erstmal so weit nacharbeiten müssen, daß sie wenigstens ihren mythologischen Status ablegen können und dann sinnvolle Argumente, was das Ich betrifft, vorzulegen imstande sind.
Es gibt derzeit in der Neuro-Forschung zum Ich und seinen Funktionen keine Theorie, die auf Homunculus-Implikationen verzichtern könnte (du führst sie indirekt selbst an: „dieses ‚Ich‘ formte sich während meines Lebens und bildet in sich, mein ‚Ich‘ ab“. Das ist aber – Verzeihung bitte – Quatsch! Denn ein Ich kann sich nicht als „mein Ich“ selbst abbilden, vielmehr wäre eine jegliche derartige Selbstabbildung [sic] ein „anderes Ich“ und damit eben gerade nicht mein Ich. Kurz: So kommt man niemals zu einem integren – widerspruchsfreien und (Selbst-)Identität [sic] sichernden – Modell vom Ich(-Bewußtsein)! Das sind alles nur Ausgeburten der uralten Homunculus-Spinnereien, die schon im Mittelalter reichen Blüte trugen und noch immer unter Neuro-Fuzzis fluktuieren, weil nach ihrem Gusto halt nicht sein kann, was nicht sein darf.

Fakt ist, daß die Ausbildung der Ich-Funktionen – bis hin zum regelkonformen Gebrauch des Personalpronomens in der ontogenetischen Entwicklung (so etwa um das Ende des 2. LJ) – nur in einer sprachlich intakten Lebensform anhand vielfältiger Sprachspiele eingeübt und schließlich verinnerlicht werden kann. Der Prozeß ist übrigens nicht über Lernprozesse darstellbar (Zirkularitätsproblem: vgl. den Hermeneutischen Zirkel), sondern erfolgt über Abrichtung, wie L. Wittgenstein das nannte.
Der zentrale Punkt beim hiesigen Argument ist: Der richtige Gebrauch von ‚ich‘ kann nur erlernt werden – wie sprachliche humane Kommunikation überhaupt --, wenn das Kind in eine immer schon etablierte Gemeinschaft sog. „kompetenter Sprecher“ eingebettet ist. Will simplifiziert sagen: Wie ich ‚ich‘ richtig gebrauche, lerne ich von anderen Ichen (Alter Ego). Und wenn ich das gelernt habe, kann ich mich „mit mir selbst sprachlich identifizieren“, sowie dann auch alle anderen als Dus, also als Alter Egos.
Der Witz an der Sache ist freilich, daß ich mich niemals „für mich selbst“ (also außersprachlich: sozusagen „intern“) „als Ich“ identifizieren muß (das ist ja der Quark, den die Hirn-Mythologen immerzu erzählen, ohne eine Ahnung davon zu haben, was sie dabei für Quark – etwa mit dem Homunculus-Unsinn – von sich geben), weil es solch einer Identifikation nicht bedarf, weil ich schon vorsprachlich, auch vor einer jeglichen Erinnerung, vollkommen mit mir selbst identisch bin. Dafür sorgt die irreflexive Dimension des Bewußtseins, das schon immer instantiiert ist, womöglich sogar bereits vorgeburtlich (darüber herrscht allerdings noch Gelehrtenstreit).

Im Klartext heißt das: Wenn das Ich sprachlich artikuliert in Erscheinung tritt, ist das, was damit zum Ausdruck gebracht wird, im Bewußtsein schon längst instantiiert (jedes Baby „merkt das“ daran, daß es z.B. Hunger spürt, Angst oder auch Schmerz und Liebesbedürfnis usw.). Es ist das (präreflexive) Selbstbewußtsein. Und Reflexiv-Werden heißt dann, daß ich für etwas Nicht-Daseiendes (wie etwa einen Baum, den ich in einem Gespräch mit Alter Ego erwähne, der aber hundert Kilometer weit weg ist) das Zeichen [sic] ‚Baum‘ setzen und in eine syntaktische Form fügen kann.
Will sagen: Wenn ich von mir selbst spreche gegenüber Alter Ego, etwa so: „Alfred, ich habe Hunger“, so setze ich dem kompetenten Sprecher (was heißt, daß ich davon ausgehe, daß er mich versteht) namens Alfred ein Zeichen für genau das, was für ihn abwesend ist (nicht sinnlich wahrnehmbar) und mache ihm damit klar, „was gerade mit mir los ist“. Aber es wäre natürlich lächerlich zu glauben, ich müßte „mir selbst klarmachen (sagen)“, daß ich gerade Hunger habe …

Was daraus folgt für Obiges, dürfte jetzt klar sein. Es ist unzweifelhaft, daß bei all diesen Prozessen und noch tausenden anderen das ZNS eine absolut maßgebende Rolle spielt. Heißt: Ohne ZNS läuft gar nix. Aber damit kriege ich weder ein Ich gebacken, noch Sprache und erst recht keine Erinnerung. Denn all diesen Dingen – also allem, was symbolisch strukturiert ist – eignet es, aus Signifikaten und Signifikanten zu bestehen. Und die, bitteschön, befinden sich natürlich nicht im Hirn, sondern entweder „draußen“ (Signifikanten) und dann noch die Signifikate irgendwo anders (wobei ‚wo‘ hier die falsche Frage wäre, weil sie nicht räumlich organisiert sind), auf jeden Fall aber zwischen [sic] allen nur denkbaren kompetenten Zeichenbenutzern in der Welt, aber niemals „in Hirnen“.

Fazit (unter Auslassung vieler wichtiger Tatbestände, die hier nicht allem referiert werden können): Eine Person [sic] (immer nur vom Ich zu reden ist sowieso Unfug und nur eine neuromythologische Attitude zur Verbergung des Umstandes, daß die NeuroFuzzis nicht wissen, wovon sie schwadronieren) konstituiert sich** irreduzibel** nur unter den Bedingungen einer symbolisch strukturierten Welt. Und die Erinnerungen dieser Person hängen fundamental an dieser s.s.W.! Daraus folgt beinhart: Würde diese Person reinkarnieren, müßte sie anfangen wie ein Baby, mit einem irreflexiven Bewußtsein, das dann durch die neue, je akute Welt und seine kompetenten Sprechergemeinschaften geprägt würde. Die Frage, ob wenigstens der präreflexive Bestand (das sinnlich „selbstaffizierte“ Selbst) erhalten bliebe, ist nach meinem Dafürhalten nicht entscheidbar …

Hier noch zwei Links:

Ein kurzer Aufsatz von Thomas Fuchs (hab. Philosoph und hab. Mediziner) zu einigen Aspekten des hier Ventilierten. Bitte noch ‚htps://‘ und ‚www.‘ vorsetzen:

information-philosophie.de/?a=1&t=4908&n=2&y=1&c=2

Das ganze Buch zum Thema von ihm hier zum freien Download:

https://www.researchgate.net/publication/315828516_Das_Gehirn_-_ein_Beziehungsorgan_Eine_phanomenologisch-okologische_Konzeption/link/58e93bad458515e30dccd828/download

Viele Grüße von Palinurus

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Nicht, dass es mich etwas anginge, aber wie groß ist denn Andreas’ Kleiderschrank? Ich habe schon unseren Flur tapeziert. Bis jetzt hat mein Mann noch nichts gesagt. Bis jetzt …

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Lieber @Palinurus,
könntest du bitte deine Homunculus-Tiraden ein wenig erläutern. Ich kann gerade nur erahnen, was du damit meinst.
mfg os|<ar

Lieber Oskar,

der Homunculus-Vorwurf bezieht sich auf den (oft unreflektierten) Gebrauch einer alten – schon antik und ma-lich angewandten – (Hilfs-)Figur als Annahme eines “kleinen Menschleins”, das bei unverstandenen Integrationsleistungen, an denen primär nicht verbundene Organe und Prozesse beteiligt sind, diese “binde” oder “zusammenführe”, also sozusagen integrieren könne, um so einen holistischen Eindruck zu erzeugen, wie wir ihn haben, wenn wir etwas wahrnehmen oder erkennen.

Der Vorwurf gegen die Neuromythologen, sich klammheimlich des H zu bedienen, ohne zu ahnen, was sie da tun – gern und oft etwa gegen Wolf Singer erhoben (einmal hat ihn Julian Nida-Rümelin in einer öff. Fernsehdiskussion darauf angesprochen, worauf Singer ziemlich in die Erklärungs-Bredouille geriet und schließlich seine Ratlosigkeit eingestehen mußte) – kommt daher, daß von ihnen nahezu pausenlos behauptet wird (vgl. etwa auch Roth), das Gehirn “mache etwas”, “denke”, “rechne”, “gebe Anweisung”, “wähle aus” usw. usf.

Der Punkt ist, daß derlei Intentionale Handlungen [sic] genau das voraussetzen, was Roth, Singer und all die anderen Neuro-Mythologen gerade **abstreiten, **nämlich Geist oder (nicht-materielles) Bewußtsein. Für sie ist ja alles rein naturwiss. erklärbar, also empirisch. Da aber ein empirischer “Gegenstand” wie das ZNS danach gerade keine Intentionen haben kann, mutet es selbstverarschend an, wenn ihm gleichwohl welche zugesprochen werden – eben just von jenen, die Intentionen ablehnen oder bestenfalls als Phänomene aus dem Dunstkreis von Tante Emergenzia abtun (Emergenz ist ja nichts anderes als eine Absolute Metapher * dafür, daß man nicht sagen muß: “Ich weiß nicht, wovon ich rede, aber ich quassel halt mal irgendetwas …”).
Und daß sie Intentionen als genuine Bewußtseinsphänomene ablehnen, steht ja bei Singer und Consorten außer Zweifel, weil schließlich das Hirn “alles macht” und die gedankliche Entscheidung ja nur ein Epiphänomen (“emergent”) sei; anders ausgedrückt: Menschliche Willensfreiheit gebe es nicht.
Daß sie sich dabei nicht mal entblöden, noch immer Libets Experiment dafür heranzuziehen, macht die Sache auch nicht besser, sondern nur peinlich(er). Denn die Kritik am einschlägigen Libet-Experiment ist seit Jahrzehnten Legion …

Folglich: Wenn das Hirn wie oben angemerkt nach diesen selbstwidersprüchlichen “Theorien” ständig etwas mache, will, tut usw., so muß ihm ein H inhärent sein, weil ja nach der Mythologenriege eigener Bekundung ein mat. Gegenstand solche intentionalen Handlungen nicht vollziehen kann.

Der Punkt ist also: Einmal dient das zum Lustigmachen über den offenbaren performativen Selbstwiderspruch, der gleichwohl harnäckig geleugnet wird. Und zum anderen steckt dahinter natürlich auch die Einsicht, daß das sog. Mentalvokabular nicht reduzierbar ist bei der Beschreibung fundamentaler menschlicher Tätigkeiten, weshalb der H dann eben aufs Tapet gebracht werden muß, alldieweil sonst Singer, Roth & Co. unterstellt werden müßte, sie trauten dem ZNS eben doch intentionale Handlungen zu … :stuck_out_tongue:

Die Sache ist für diese vollkommen bornierten Uralt-Schlachtrösser der längst zugrundegegangenen Identitätsthese inzwischen nahezu aussichtslos geworden (guck doch mal in das Fuchs-Buch rein, da siehst du, warum ich das glaube). Sie können froh sein, wenn man ihnen noch das H-Maskottchen umhängt und ansonsten rumlabern läßt, statt sie in den Ruhestand zu nötigen, was vielleicht das Beste für sie wäre.

In diesem Punkt bin ich hart und auch zynisch. Ich komme mit fast allem klar, aber nicht mit ideologischer Verbohrtheit. Sie ist ein furchtbares Gift, das die Welt verdirbt. Mir gelingt es nicht, damit unaufgeregt umzugehen.

Viele Grüße von Palinurus

Nachtrag: Wenn du mal noch andere Argumente als immer nur meine zur Sache studieren möchtest, lieber Oskar, dann gib doch mal in die Suchmaschine die Stichwörter Peter Janich + Wolf Singer + FAZ ein. Die beiden haben vor Jahren über den hiesigen Problempunkt eine längere – über mehrere Ausgaben hinweg sich erstreckende – harte Diskussion geführt. Und Janich (der inzwischen leider verstorben ist und ein sehr, sehr reflektierter Kenner der Materie war) führt noch andere Dinge an als ich. Meine Wenigkeit beschränkt sich hier ja auf Signifikate und Signifikanten, weil das zumindest Schreiben tangiert …*

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Stimme dem zu. Es ausufernd und vollständig erklären zu wollen, übersteigt allerdings mein Wissen um, na ja, mehr als ich mitteilen könnte. Auch wenn die Speichermöglichkeit meines Gehirns in die Unendlichkeit gehen mag, ich nutzte sie nicht vollumfänglich.

Allerdings hätte ich da eine Idee darüber, wie es sein könnte mit einer funktionierenden Reinkarnation. Einer, bei der das Bewusstsein des Sterbenden, mit allem Wissen in ein neues Gehirn übertragen werden könnte. Spekulativ, fantasierend natürlich nur.
Als gegebenen Fakt nehme ich mein Gehirn. Eine graue Masse im Kopf, die mittels chemischer Energie ständig in Betrieb gehalten wird. Über die Sinnesorgane nimmt es permanent Informationen auf. Speichert diese im neuronalen Netzwerk, in den Knotenpunkten als Information ab. Beispielsweise das Wort: Information. Elf Buchstaben insgesamt, sieben verschiedene Buchstaben jedoch nur. Diese sieben werden nun in Buchstabenknotenpunkten gespeichert. In weiteren Knotenpunkten wird nun einfach deren Reihenfolge für das Wort gespeichert. Weitergedacht - viele Worte - wenige Buchstabenknotenpunkte, dafür zahlreiche Informationsknotenpunkte. Diese aber, je mehr es werden auch weniger, wenn sie ebenfalls über übergeordnete Knotenpunkte angesprochen werden. Letztendlich erhält man über sein bisheriges Leben betrachtet, Muster.
Das neue Gehirn sollte über genau dieselben Muster an Buchstabenknotenpunkte und Informationsknotenpunkte verfügen, wenn das alte ‹ich› auch dasselbe sein soll, im neuen Gehirn. Andernfalls wäre es, ein anderes ich.

Ob es sich so zuträgt, wie ich es mir herfantasiere, werde ich wahrscheinlich nie erfahren.

Und hier bemerke ich, dass ich mich mehr als nur unvollständig in meiner Kürze ausgedrückt habe. Eine Problematik bei mir selbst. Nicht alles, was ich erdenke, taucht im Geschriebenen auch auf. Denken geht halt schneller als Schreiben.
Ich hoffe aber, dass obige Idee es besser beschreibt, was mir durch den Kopf ging. Beziehungsweise noch immer geht. Denn in meiner Geschichte muss ich diesen Textteil auch noch mal genauer beschreiben.

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Lieber Andreas,

da du ja offenbar an einem Sci-Fi-Text arbeitest, ist natürlich mehr erlaubt – von den Möglichkeiten aus betrachtet, die zukünftige Wissenschaftsentwicklung zeitigen könnte --, als heute machbar ist. Allerdings sehe ich einen Punkt kritisch in diesem Zusammenhang (und ich glaube, der treibt letztlich auch @Suse um bei ihrem Projekt): Sollen Sci-Fi-Erzählungen den Vorstellungsraum des Möglichen einhalten müssen – oder ist ihnen praktisch jede spekulative “Idee” erlaubt, also selbst dann, wenn sie Unmögliches aufs Tapet bringt?

Meine persönliche Ansicht dazu ist nicht ganz sicher fundiert, weil es bekanntlich Fiktionen auch in der nicht-sci-fi-artigen Literatur gibt, die den Raum dessen, was Mögliche Welten (etwa i.S. Saul Kripkes) würden zeitigen können, eindeutig überschreiten. Man nehme dazu nur mal etliche Beispiele des sog. Magischen Realismus her, etwa aus dem Repertoire des von mir selbst hochgeschätzten Jorge Luis Borges: Ob es sich ums Aleph handelt oder Das Sandbuch etc.pp. – derlei Konstrukte fallen natürlich in den Bereich Nicht-Möglicher Welten: Und doch sind das hocherregende, äußerst faszinierende und ästhetisch fraglos anspruchsvolle Erzählungen, bei deren Lektüre kein Mensch auf den absurden Einwurf käme, es sei ja Blödsinn, was da zusammengeschreibselt wurde …

Ich glaube trotzdem – wie gesagt: es ist nur ein Glaube, ich habe kein sicheres Argumentationsmuster dafür --, daß diese Art des phantastischen Erzählens etwa anderes ist als “reine Sci-Fi”. Denn was mir da anders scheint [sic], ist die Art des … ähm … (je beschriebenen) Weltzustandes im Ganzen. – Mal stark verkürzt ausgedrückt. Was etwa an Borges’ Erzählungen mit Absurditäten darin so faszinierend und ästhetisch macht, ist gerade das Außergewöhnliche, Bizarre daran inmitten einer ansonsten ganz “normalen Welt”! Das fasziniert! Der sozusagen stets nur partielle Sprung ins Unmögliche (entspricht ja auch dem ästhetischen Erfordernis von Nicht-Identität!).
Dies allerdings ist bei Sci-Fi anders: Dort wird – ggf., also so der Autor sich in reinen Spekulationen (besonders technischer Art) verliert! – nicht bloß irgendetwas (partiell) Unmögliches in eine ansonsten Mögliche Welt eingefügt, sondern es entsteht dann eben das chimärenhafte Konstrukt einer insgesamt Nicht-Möglichen Welt … was eben eventuell dann nicht mehr richtig funktioniert (‘eventuell’ wg. meiner o.a. Selbstvorbehalte).

Mich persönlich stört nicht zuletzt an derlei Konzepten und auch Elaboraten, daß sie – nach meiner Kenntnis – dabei in einem Punkt vollkommen inkonsistent erscheinen: Denn man kriegt dann oft zwar eine vollkommen utopische (und wie gesagt: vielleicht gar nicht mögliche) Welt aufgeführt, aber i.d.R. verhalten sich die darin agierenden Menschen just genauso wie in der rezenten, obwohl das geschichtlich betrachtet vollkommen daneben ist, weil jeweilige Lebenswelten auch je immer spezifische Lebens-, Denk- und Verhaltensweise ihrer Bewohner implizieren. Vulgo: Ein Cro-Magnon-Mernsch käme mit unserer Welt ebensowenig klar wie ein Zeitgenosse der Dritten Dynastie Ägyptens oder eine Bewohnerin Babylons unter Hammurabis Herrschaft oder jemand aus der Zeit Mykenes Glanz! Und selbstredend gilt das auch vice versa! Aber im Jahr 2522 – unter vollkommen anderen technischen und sonstigen Auspizien, was die Lebenswelt angeht, verhalten sich die Menschen natürlich genauso wier heute … – Hahaha!
Ich bin von der Profession her viel – aber nicht nur – in den akademischen Gefilden der Mediävistik zugange (spezialisiert auf die Geistes- und Kulturgeschichte der [v.a. lateinischen] Spätantike und des Frühmittelalters). Und wenn ich bspw. mal nur in entsprechende sog. “Historische Romane” aus dieser Zeit gucke (was also nicht mal Sci-Fi ist), kommt mir manchmal maßloses Lachen an (oder besser: ich weiß dann nicht, ob ich lachen oder weinen soll). – Es geht mir keineswegs darum, daß ein lit. Werk strengen wiss. Anforderungen genügen mußte – auf keinen Fall! Im Ggt. hielte ich das für verheerend! Aber manchmal wird mir schon übel, wie dabei unsere rezente Denke Zeitaltern aufgeflanscht wird, daß es den Hund samt der Hütte graut! UJuckt allerdings relativ wenige Menschen. – Woran liegt das? Sind wir zu egozentrisch, um uns wenigstens in der Literatur, die ja ästhetische Erfahrungen generieren sollte, ein wenig von uns selbt zu distanzieren? Oder ist es blankes Unvermögen der Autoren (bzw. auch Lektoren)? – Noch mal: Es geht nicht um ein vorgebliches “authentisches Bild” vergangener Zeiten (das gibt es gar nicht, weil Geschichte immer Re-Konstruktion ist!); aber ich wünschte mir öfters ein gewisses mimetisches Vermögen, aus einer hermeneutischen, also u.a. auch einfühlenden Haltung heraus – statt lustig irgendwelche Roman-Figuren in mittelalterlichen Burgen wie meine Nachbarn heute, gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnend, herumspringen zu lassen, wenn sie gerade mal einen sog. “Mittelaltermarkt” besuchen … – Das ist doch Unfug! Damals herrschten ganz andere Rollenklischees als heute und uns seltsam dünkende Verhaltensweisen waren an der Tagesordnung etc.pp. – Darüber kann auch recherchiert werden. Es gibt seit vielen Jahren sogar ein Spezialfach innerhalb der hist. Wiss. für die Kenntnisnahme solcher UImstände. Es heißt ‘Mentalitätsgeschichte’ …

So, das war jetzt ein langer Vorspann für meine Antort. Aber ich denke, das mußte sein, sonst kriegst du sie vielleicht in den falschen Hals und das möchte ich nicht, weil ich dir bei denem Anliegen helfen will.

… usw.

Du beschreibst vollkommenn zutreffend den Fluß der Information über die Sinnesorgane zum ZNS. Aber dann wird es absolut spekulativ: Denn Wörter – und erst recht Buchstaben! – stellen zwar eine Basis für Information her (einige meinen sogar, damit sei bereits Information gegeben, was aber umstritten ist, weil der Informationsbegriff in den beteiligten Wiss. stark umstritten ist), könnten aber niemals, auch nur im geringsten, einen Bedeutung entfalten! Die kleinste denkbare bedeutungsgenerierende Einheit ist der Satz (bzw. die Aussage [was hnjicht ganz dasselbe ist]).
Und nun kommt die Crux: Es nützte dir nichts, auch Milliarden von Wörtern oder Buchstaben “im Hirn abzuspeichern” – was immer das auch genauers bedeuten soll --, denn dir fehlt nun immer noch zweierlei, das du aber per se und per definitionem nicht abgespeichert kriegst. Einmal die satzkorrelieren Signifikate und andermal die Grammatik, deren es notwendig bedarf, um die Wörter so zu figurieren, daß sie überhaupt einen Satz ergeben! – Zugegeben: Die Schule von Noam Chomsky ist davon überzeugt, daß die (Tiefen-)Grammatik biologisch, also zentralnervös determiniert ist (womit ein transplantierender Transfer von ihr möglich wäre).
Aber erstens ist davon auch in sechzig Jahren Forschung nicht das geringste Indiz sichtbar geworden; und zweitens wäre selbst dann, wenn die TG biologisch determiniwert wäre, natürlich noch immer kein einziges Signifikat in Sicht, das du allerdings zwingend bräuchtest, um Erinnerungen abspeichern zu können und somit bei einer Reinkarnation das Ich erhalten könntest. – Leider, so muß ich dir für den Fall deiner Idee mitteilen (aus sprachphilosophisch-linguistischen als auch epistemologischen Gründen (von ontologischen Überlegungen ganz abgesehen), würde das also mit Sicherheit nicht funktionieren!

Daher käme ich als potentieller Leser deines Sci-Fi- Romanes wohl relativ zügig zu dem Schluß, daß du eine Unmögliche Welt konstruiert hättest – was für mich wahrscheinlich das Zuklapp-Kriterium wäre. Es sei denn … und jetzt wird the dark side of the moon relevant (siehe die obige Propädeutik) --, also es sei denn, du “machst mich” vom ästhetischen Aspekt aus betrachtet “so arg an” beim Lesen, daß mir vor solcherart initiierter Faszination die Nicht-Kompatibilität mit einer von Saul Aaron Kripkes Möglichen Welten vollkommen egal ist und ich erregt und begeistert weiterschmökere. – Ich hoffe, das ist jetzt eine Versöhnung für die vorher gesetzte Frustration. Ich meine es allerdings ernst damit! Das kannst du etwa meinen kurzen Gedanken zu Borges & Co. entnehmen.

Ich wünsche dir viel Glück bei deinem Unterfangen und grüße herzlich!

Palinurus

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Es ist - ergänzend zu Palinurus’ Ausführungen - die ich meistens nur zu einem Achtel verstehe, außerdem interessant, dass Mode in Science-Fiction eine Rolle spielt (unbewusst oder absichtlich?), zumindest in Filmen. In einem SF-Film aus den 1970er Jahren beispielsweise werden Hosen, Röcke, Frisuren genau so dargestellt, wie sie 1970 eben getragen wurden, selbst, wenn die Geschichte 1000 Jahre später angesiedelt ist.

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Wo würde die Phylogenetik hierzu Erkenntnisse liefern, und welche? (Sofern wir hier beide von derselben Phylogenetik = biol. Abstammungslehre reden?)

Hallo Paulinarus

So ist das leider mit Beispielen - meist sind sie unvollständig wiedergebbar oder auch falsch gewählt. In meinem Fall wohl beides. Schade - ich kann das, was mir dahingehend im Kopf herumspukt nicht korrekt niederschreiben. Freu - ich hab etwas, an dem ich arbeiten kann.
Mir ging es im Beispiel um die Information an sich. Kleinste Einheit. Was auch immer. Als Muster abgelegt. Alle Muster zusammen erzeugen (mit) das ‹ich›? Immateriell, aber doch dort verankert. Im Tod auflösend (Energiemangel) oder wiederherstellbar (Musteridentüberlagerung)? Wie?
Würde es einen Unterschied zwischen einem biologisch und einem künstlich erzeugten ‹ich› geben? Ich gehe von einem nein aus. Denn dann wäre eine Übertragung (Reinkarnation) möglich. Das wiederum erschafft mir die Möglichkeit, mich damit schreiberisch zu beschäftigen.

Ich mag unmögliche Welten, weil sie mitunter teilweise möglich werden können. Beamen konnte man nur in Kirks (Film)Zeiten, und, wenn ich recht las, inzwischen heute auch wissenschaftlich mit Atomen (Verschränkung). Dazwischen liegen Jahrzehnte. Ein möglicher Anfang des Unmöglichem? Wer kennt schon die (korrekte) Zukunft!
Ich baue auf Wahrscheinlichkeiten und hoffe auf eine, die nicht zuklappt.

Deine zwei verlinkten Artikel ziehe ich mir noch zu Gemüte. Den Aufsatz überflog ich gestern Abend erst nur. Interessant darin, da auch dort über Muster gesprochen wird. Muss ich aber noch genauer nachlesen. Danke dafür.

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Bzgl. Ich-Funktionen und Spracherwerb:

Hallo Ulli,

man unterscheidet bei beiden o.a. Phänomenbereichen – sowohl beim Ich als auch beim Spracherwerb (die allerdings miteinander verknüpft sind) – zwischen der Ontogenese (OG) und der Phylogenese (PG).
Das ist deshalb sinnvoll (sogar notwendig), weil es mindestens zwei Kriterien gibt, an denen evident wird, daß PG und OG nicht gleich zu betrachten sind (obwohl das lange ein Bestandteil wiss. Mythologie war). Richtig auffällig wurde das erst im Zuge der Erforschung der intersubjektiven Dimension am ontogenetischen Spracherwerb (obwohl es schon seit der Antike auch gewichtige Reflexionen auf dessen phylogenetische Dimension gibt [vgl. etwa den platonischen Kratylos oder die v.a. mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Reflexionen über den Ursprung der Sprache [dazu hat auch Eco einen Wälzer verfaßt; fundamental natürlich dazu die monumentale Untersuchung von Arno Borsts Dissertation. [I]Der Turmbau zu Babel]). – Richtig eklatant wurden diese Dinge v.a. infolge der posthumen Veröffentlichung Wittgenstein Buch Philosophische Untersuchungen, die dazu so maßgebend wurden, daß W. heute als der wichtigste Philosoph des 20. Jhd. gilt. Sein Einfluß, etwa auf die Analytische Philosophie, ist so immens, daß er überhaupt nicht überschätzt werden kann.

Was W. herausfand (absolut eingedampft auf hiesige Thematik):

  1. Eine Privatsprache ist undenkbar (sog. Privatsprachenargument aus den PU) und damit kann niemand privat, also “nur für sich” sprechen
  2. Bedeutung liegt im (jeweiligen) Gebrauch, hängt also keineswegs “am Wort/Satz” selbst
  3. Regelfolgen setzt keine Kenntnis der Regel voraus, Bestätigung erfolgt intersubjektiv, aber am wenigsten explizit, sondern zuvörderst durch Handeln und “sich zeigen” (von etwas)!
  4. Voraussetzung für (og) Spracherwerb sind funktionierende Lebensformen, die von Sprachspielen strukturiert werden
  5. Sprachspiele sind regelgeleitete Handlungsmuster (keineswegs also nur “sprachlich”), die Regeln selbst sind nicht starr, sondern fluid und ändern sich v.a. “unter der Hand” – also beim Tun (vgl. P.3) --, statt “verfügt zu werden”
  6. Die zugrundeliegende Form der Sprache (etwa wie eine Art Tiefengrammatik) ist transzendental und somit nicht analysierbar (das übernehmen die PU aus dem frühen Tractatus)

Aus diesen Erkenntnissen und ihrer Analyse erwuchsen die meisten der sprachphilosophischen und auch viele linguistische Theorien der zweiten Hälfte des 20. Jhd. und auch weiter bis heute. Zu kritisieren bleibt allerdings, daß W. semiotische Aspekte weitgehend ausblendete (obwohl er sich nachweislich z.B. mit Moore und v.a. auch Peirce auseinandersetzte).

Das Resultat dieser W-Rezeption (inklusive nat. auch anderer Denker/innen auf diesem Gebiet):

Die intersubjektive Sphäre, die etablierter Sprachgebrauch aufspannt, ist die irreduzible conditio sine qua non für den ontogenetischen Spracherwerb. Ein Kind generiert also die Sprachfähigkeit nicht aus einem obskuren eigenen Vermögen (und gleich gar nicht primär aufgrund der Tatsache, daß es ein Hirn hat), sondern weil es in der ihm zugeeigneten Sprechergemeinschaft, die wiederum eine Lebensform repräsentiert, auf die Rezeption von Sprachspielen hin** abgerichtet** wird, und zwar so lange lediglich dressiert, bis es aufgrund dieser Abrichtung selbständig erste Lernprozesse initiieren kann, die schließlich immer dominanter werden, bis es immer weniger über Dressur, sondern genuine Lernprozesse seine sprachliche Sozialisation vervollkommnen kann.
Das Gehirn – und noch anderes – stellt nach dieser Konzeption zwar notwendige Bedingungen für og Spracherwerb her (die Disposition [sic] zum Sprechenkönnen ist beim Menschen offenbar bereits genetisch instantiiert – wie immer genauers, weiß allerdings bisher niemand!), die hinreichenden Bedingungen jedoch werden erst von den eben erwähnten Komponenten der Lebenswelt und ihren transzendentalen Voraussetzungen gebildet.

Soweit die Ontogenese.

Wer denken kann, bemerkt jetzt natürlich unweigerlich, warum das phylogenetische Pendant des menschlichen Spracherwerbs nach diesen Muster nicht einfach parallel gebildet werden kann. Denn dabei fehlt gerade** jene Bedingung**, die den og Sprachwerwerb hinreichend charakterisiert.
Nämlich die “je schon” (Habermas) vorhandene sprachstrukturierte Lebenswelt. – Und deshalb ist man beim Bedenken unbd Re-Konstruieren des pg Spracherwerbs (also des Menschen überhaupt in seiner geschichtlich-kulturellen und biologischen Entwicklung) vor ganz andere Probleme gestellt als anbei des Bedenkens dessen in der Ontogenese.
Klar ist, daß tierisches Verhalten und seine Ritualisierungen (etwa in ganz primitiven magischen und proto-religiösen Prozeduren) einerseits dabei eine mächtige Rolle gespielt haben und andererseits wohl auch Transformationsprozesse jener Signal[sic]Systeme, mit denen sich Tiere “verständigen”. Aber wie das im Einzelnen genauers vor sich gegangen sein könnte, liegt auch nach vielhundertjähriger Forschung auf diesem Gebiet und einigen neuen Erkenntnissen in den letzten fünfzig, sechzig Jahren noch weitgehend im Dunklen, wobei die Generierung von Zeichen- und Symbolsystemen einer der schwierigsten Parts dabei ist, weil sich dabei natürlich auch der hermeneutische Zirkel querstellt: Wir nehmen nämlich bei entsprechender Theoriebildung immer schon in Anspruch, was wir gerade erforschen wollen: Der Punkt ist also, daß wir dabei keinen point of view einzunehmen vermögen, der Objektivität garantierte, weil wir der Sache, die wir untersuchen, nicht gegenüberstehen, sondern “je schon” … hahaha … “mittendrin stehen”.

Zeichen- und Symbolsysteme setzen – anders als solche mit Signalen – die Arbitrarität voraus, also ihr Zerfallen in sinnlich wahrnehmbare Signifikanten und in der Mens flukuierende Signifikate, für die es keine fest zugeordneten Bedeutungen gibt. Wie oben angedeutet, ist das relativ unproblematisch, wenn bereits Lebensformen und Sprachspiele instantiiert sind. Das können wir aber leider am Anfang der Sprachentwicklung gerade nicht unterstellen (wäre ja lächerlich heutzutage, weil uns Nietzsche beschied, daß GOtt tot sei, der das hätte ja leisten können :cool:), weshalb wir in Betracht auf die Anfänge wansinnig schwer in der theoretischen Bredouille stecken. Und dabei kann uns Witti evben auch nur bedingt helfen … den Rest muß wohl ein neues Genie erledigen …

Hoffe, jetzt etwas Klärung über Begriffsgebrauch [sic] herbeigeführt zu haben. Pffff … war auch bißchen anstrengend, weil der tlw. esoterische Sprachgebrauch in den Fachdisziplinen auf “Normalsprech” runtergebrochen werden muß, was mir manchmal gar nicht so einfach vorkommt, weil ständig Sinnverlust zu drohen scheint.

Viele Grüße von Palinurus

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Ah OK - für mich als Entwicklungsbiologen sind Phylogenese = Entstehung der Arten und Ontogenese = einzeln betrachtete Entwicklung eines Individuums (körperlich betrachtet).

Was ja durchaus als Basis eine - völlig andere - Betrachtung auf das Thema “Seele” und “Unsterblichkeit” bietet.