Wörtliche Rede

Guten Morgen,

ich habe ein Frage zur wörtlichen Rede.
Immer wenn ich einen Text geschrieben habe und ihn mit der Lesbarkeit-Einschätzung geprüft habe und dieser z.B. 28 anzeigt, bringt die wörtliche Rede alles wieder ins Ungleichgewicht.

Habt ihr ein paar Tipps, wie ich die wörtliche Rede spannender gestalten kann, ohne das die Lesbarkeit-Einschätzung darunter leidet?

vielen Dank für eure Hilfe

Liebe Knöpfchen,

du bist dir sicher, auf die oben zitierte Frage auch nur eine einzige vernünftige Antwort bekommen zu können? – Wie soll irgendjemand, der noch “ganz bei sich ist”, rein formale Kriterien dafür angeben können, wie etwas – gleich ob Dialog oder anderes – “spannender” [sic] gestaltet werden kann? – Da erhebt sich doch wohl notwendig die Frage: Spannender als was?!

Daneben stellt sich mir persönlich auch die Frage, ob du für die Anzeige eines guten Lesbarkeitsindex’ arbeitest oder dafür, etwas zum Ausdruck zu bringen, das für dich – und ggf. auch potentielle Leser – maßgebend ist. Die Lesbarkeitsprüfung ist eine algorithmische Prozedur und somit per se bar einer jeglichen ästhetischen Kompetenz. Anders ausgedrückt: Aufgrund ihrer rein formal operierenden “Urteils”-Exekution kann sie bestenfalls ein paar Anhaltspunkte für eventuell Nachzubesserndes geben, v.a. eben im formalen Sektor. Ein tatsächliches – “echtes” Urteil kann sie aber nicht fällen. Das mußt du stets selbst finden. Und zwar, so scheint mir, indem du den eigenen Anspruch – unter Zuhilfenahme weithin geteilte Standards in der Rezipienten-Community vielleicht – mit dem abgleichst, was als Ergebnis beim algorithmischen Durchgang “rauskommt”. Und dabei sollte die Balance klar sein: Ein “Rechenergebnis” dürfte bei der eben angedeuteten Inblicknahme-Methode weniger Gewicht haben als die menschliche Vernunft im Zusammenspiel mit ästhetischen Kategorien.

Gruß von Palinurus

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Hier habe ich mal schnell ein Beispiel generiert, an dem deutlich wird, was die „Lesbarkeitsprüfung“ (LBP) leistet und was nicht.

In einem Romankapitel habe ich mehrer kurze Zitate von Peter Handkes grandioser Erzählung Kindergeschichte angeführt, um etwas „sich zeigen zu lassen“. Die LBP läßt schon meine Ergüsse nicht so arg gut wegkommen – aber „den Vogel schießt“ Handke „ab“ … :smiley:

Ich denke folgendes dazu: Jemand mit auch nur mittelmäßig ausgeprägtem literarischen und ästhetischem Vermögen wird unschwer erkennen können – natürlich nur samt Blick auf den größeren Kontext --, daß Handke in der teils zitierten Szene etwas ganz und gar Außerordentliches, sehr, sehr Schönes gelungen ist. Nähme man nun die LBP ernst, würde diese Szene gestrichen oder umgearbeitet worden sein müssen. – Was natürlich ein bullshit sondergleichen gewesen wäre!

Was lernen wir daraus? – Daß die LBP bestimmte Dinge leisten kann – aber eben manchmal auch vollkommen irre zu bewertende Ergebnisse zeitigt.

Im mitgelieferten Anhang stehen die zwei Handke-Passagen im Zitatmodus, meine im normalen Textfluß (Umfang: weniger als eine Seite).

Gruß von Palinurus

Handke_LebarkeitsPrüf.pap (6.43 KB)

Da stimme ich @Palinurus voll und ganz zu.
Lass dich nicht von diesen Einschätzungen verrückt machen. Gestalte deinen Text so, dass der Leser gefesselt wird, nicht der Algoritmus. Wenn deine wörtlichen Reden ein einfacheres Niveau haben als der übrige Text, ist das aus meiner Sicht völlig OK. Man spricht doch normalerweise im Gespräch mit jemand in kürzeren Sätzen und mit einfacheren Worten (Germanistik-Professoren vielleicht ausgenommen:kissing:). Dies bringt die Lesbarkeitseinschätzung ja dazu, den Text einfacher einzuschätzen.

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Die richtigen grammatikalischen Fälle mag eine Maschine ja noch einigermaßen richtig feststellen können (aber auch nicht immer). Aber bei der Lesbarkeit, die z.T. darauf beruht, wie lang die Sätze sind und den Anteil von Fremdwörtern misst, würde ich mich nicht darauf als einziges Kriterium verlassen. @Waba kann ich da nur zustimmen.
Übrigens: auch Füllwörter musst Du nicht alle eliminieren, auch außerhalb der wörtlichen Rede nicht! Manchmal bringen sie genau das zum Ausdruck, was Du beabsichtigst. Füllwörter sind nicht per se schlecht, aber allzu viel ist immer ungesund.

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Hallo Knöpfchen,

pauschal habe ich keine Ahnung - wie wäre es mit einem kurzen Beispiel aus Deinem Text, mit nicht nur, aber auch wörtlicher Rede darin? Dann könnten wir sehen, wo die Unterschiede liegen, und evtl. Anregungen geben. So ins Blaue hinein, ohne eine Zeile zu kennen, ist das schwierig.

VG
Buchling

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Nun kann man Handke ja viel nachsagen, aber ich glaube, niemand behauptet, er sei „leicht lesbar“ … :kissing:

Was immer es eigentlich genau heißen soll, jemand sei “leicht” oder “nicht leicht lesbar”, habe ich noch nie so recht nachvollziehen können, vielleicht, weil mir der Ausdruck ‘Lesbarkeit’ eher vom Rezipieren einer je konkreten Texteinheit her einsichtig scheint …

Zwei wurden angeboten, um den Proof zu machen. Dazu sagst du allerdings nichts … – Aber immerhin weißt du ja, daß “Handke schwer zu lesen ist”. Was würde wohl passieren, fragte man dich nach einer Begründung für diese – m.E. sehr seltsame – Behauptung? Würdest du den Handke herbeiholen und ihm dann seine “Schwerlesbarkeit” … ähm … “ablesen”? Oder nähmest du eventuell doch ein Stück von ihm Verfaßtes her, um sie nachzuweisen? Und wie wäre es um dein Urteil bestellt, wenn jemand anders herkäme und sagte, diese Passage halte er nicht für “schwer lesbar”? Wer hätte recht? Ist Rechthaben in derlei Belangen überhaupt eine angemessene Kategorie? Nun denn …

Viele Grüße von Palinurus

Hallo Knöpfchen,

ein Kochrezept gibt’s da nicht. Wie @Waba schon sagte, Gesprochenes ist schlichter als das Geschriebene. Andererseits kann man Gesprochenes nicht eins zu eins übernehmen. Wer würde schon gerne alle “ähms”, “hms”, Gedankensprünge, Lieblingsworte oder ständige Satzendungen wie “gell?”, “nicht wahr?” oder (sehr modern) “Alder!”, die bei Unterhaltungen üblich sind, lesen wollen? Wohldosiert lässt sich das zur Charakterisierung einer Figur einsetzen, aber allzuviel ist ungesund.

Wie du mit den Ergebnissen der Lesbarkeitsprüfung umgehst, sollte maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst sein: deinem gewünschten Zielpublikum und der Figur, die gerade spricht. Eine leichte Feierabendlektüre für junge Menschen zwischen 16 - 25 Jahren sollte einfacher zu lesen sein als ein Sachbuch für Molekularbiologen. Da wirst du um von der LBP als schlecht bewertete Passagen nicht herumkommen.
Ein Droschkenkutscher wird i. d. R. einfacher sprechen als ein Professor. Im ersten Fall würde ich bei einem Ergebnis von 26 gründlich darüber schauen und umformulieren, im zweiten Fall ist das eher gewünscht und kann übergangen werden.

Daneben spielen natürlich auch eigene Schwächen eine Rolle. Als jemand mit einer fatalen Neigung zu komplizierten Schachtelsätzen schaue ich mir solche Ergebnisse genau an: Passt das zur Figur? Ist das beabsichtigt? Oder ist es an dieser Stelle nur mal wieder mit mir durchgegangen?

Soweit der theoretische Teil. Wenn du mehr praktische Tipps möchtest, stell doch mal eine Kostprobe des Textes ein, der dir Kopfzerbrechen bereitet, wie es @Buchling bereits vorgeschlagen hat. Die Kommentatoren hier helfen mit Sicherheit gerne weiter.

Gruß

Ralf

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Alles unter vierzig halte ich für unleserlich, jedenfalls dann, wenn es sich an ein **breites **Publikum richten soll. Ist es ein Fachaufsatz, darf es gerne schwieriger sein, ist es hohe Literatur, über die sich in intellektuellen Kreisen ausgetauscht wird, ebenfalls. Aber bei mir fliegt alles raus, was in Richtung gelb, orange oder gar rot geht. Mögen andere Autoren ihre Leserschaft damit malträtieren, mein Text ist zum Vergnügen da, nicht zur Quälerei.

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Moin,

vielen Dank für eure Infos.
Natürlich habt ihr recht, ohne Beispiel ist es schwer. Auch möchte ich nicht schwer wie Handke klingen, sondern wie ich.
Aber hier einmal der Text:

Hellgraue Wolken stapelten sich vor einer dunkelgrauen, fast schwarzen Wand, glatt abgetrennt vom noch blauen Himmel, rollten sie wie gekämmt, stetig aufbrausender werdend, auf das Dorf und seiner Waldung zu. Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte und aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an und kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser und die Felder durcheinander. Im Verborgenen schlich sie aus der Burg, in die Stallungen, sattelte ihren Schimmel und galoppierte in den Wald, auf eine Lichtung, in die Nähe einer armseligen zerfallenen Hütte. Zweige brachen, Äste krachten lautstark und donnerten zu Boden, ihre Stute kreiste, schnaubte, war aufgewühlt und stampfte heftig kratzend mit seinen Hufen auf den Grund, mit Mühe behauptete sie sich im Sattel und hielt mit aller Kraft die Zügel eisern in ihren Händen. Ein reifes, friedfertiges, knittriges Weib, bepackt mit Reisig und Holz, trat lautlos aus dem nebligen Unterholz hervor. „Was sucht ihr hier?“, fuhr sie die Fürstin an, diese erschrak, Regen peitschte ihr ins Gesicht und rann an ihr herab. „Das Kind!“, schrie sie gegen die tosende Brise. „Macht kehrt!“,schlug dem Ross aufs Hinterteil und entwich ins finstere Dickicht. Ein rasch rotierender Wirbel, aus Wasser, Wind und Geröll, der von der Unterseite der Wolken bis zum Erdboden reichte und am unteren Ende alles mitriss, gewaltig und ohne Nachsicht, bildete sich und ihr Pferd scheute, wieherte und stieg mit den Vorderbeinen hoch in die Luft, Angst stand ihr im Gesicht, rechtzeitig riss sie die Zügel herum und ritt ins Kloster. In der dortigen Kapelle entledigte sie sich ihres vollkommen durchnässten Umhanges, kniete sich vor das Kruzifix und flehte, bettelte geradezu, den Herrgott an, Gnade über das Kind und dem alten Weib walten zu lassen. Sie verharrte die Nacht betend vor dem Kreuz auf dem harten kühlen Steinboden, im zugigen Oratorium und kurz vor Dämmerung entdeckte eine Nonne die Fürstin liegend und schlafend auf einer Bank im Gestühl. „Durchlaucht, bitte steht auf, es ist kalt, nehmt diese Decke und trinkt einen wärmenden Tee mit uns!“ Andächtig schlichen sie auf leisen Sohlen durch die hohen Gänge, entlang an biblischen Fresken von Auferstehung, in des Klosters Küche. Der Fürst wartete auf seine Gemahlin Franziska, empfing sie mit offenen Armen, drückte und küsste sie. „Du glaubst nicht, welche Befürchtungen ich mir ausgemalt habe. Dort wo sie jetzt ist, wird sie es gut haben.“ „Die Amme hat bei mir keine Sorgen erzeugt! Du hast sie für Tot erklärt und auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, ohne sie in den Arm genommen und angesehen zu haben. Sie war nicht tot, sie lebte und jetzt ist sie fort. Schwester Agnes, die bei der Geburt dabei war und ich haben sie Maria-Johanna getauft und sie wird, egal wo sie jetzt ist…!“, erbost rannte sie und ließ den Fürsten fragend zurück.

Vielen Dank für eure Hilfe und Anregungen!
Danke

Hallo Knöpfchen. ALs erstes: Mach bitte Absätze! Wichtiger als alles andere. Nach jedem noch so kleinen Wechsel mach einen Absatz, nach jedem Sprecher einen Absatz, wenn du nicht weiß, was du machen sollst, mach wenigstens einen Absatz. Drück unten auf Bearbeiten und los. So wie es da steht, wird es kaum einer gerne lesen und wenn, dann nur mit geballen Fäusten in der Hosentasche.

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Liebe Knöpfchen,

ich habe dir mal ein paar Korrekturvorschläge gemacht. Was in ‘…]’ steht, kann weg. Zeigt dir nur Wegzulassendes und Umstellungen an.

Hellgraue Wolken stauten sich an einer dunkelgrauen , fast schwarzen] Wand. [glatt] Abgetrennt vom noch blauen Himmel, rollten sie wie gekämmt, stetig aufbrausend [er werdend], auf das Dorf und seiner Waldung zu. Blitze zuckten [aus ihnen], Donner grollte und im Hintergrund strahlte die Sonne durch die nebligen Bindfäden des Gewitterregens. [den die Ansammlungen frei gaben, an und] Kraftvolle Winde wirbelten tobend über die Dächer der Häuser und die Felder hinweg.
Im Verborgenen schlich sie aus der Burg zu den Stallungen, sattelte ihren Schimmel und galoppierte in den Wald. Auf eine Lichtung, in die Nähe einer armseligen zerfallenen Hütte. Zweige brachen, Äste krachten lautstark und donnerten zu Boden, ihre Stute [kreiste,] schnaubte, war aufgewühlt besser 'nervös?] und stampfte heftig [kratzend mit seinen Hufen ([B]womit sonst?)] auf den Grund. Mit Mühe behauptete sie sich im Sattel und hielt [mit aller Kraft] eisern die Zügel [eisern] in ihren Händen.
Ein reifes, friedfertiges, [knittriges] Weib, voller Falten, bepackt mit Reisig und Holz, trat lautlos aus dem nebligen Unterholz hervor.
„Was sucht ihr hier?“, fuhr sie die Fürstin an.
Diese erschrak. Regen peitschte in ihr Gesicht und rann am Körper herunter.
„Das Kind!“, schrie sie gegen den tosenden Wind an.
„Macht kehrt!“ Sie schlug dem Ross aufs Hinterteil und entwich ins [finstere] Dickicht.
Ein [rasch rotierender] Wirbel aus Wasser, Wind und Geröll, der vom Himmel bis zur Erde reichte und [am] unte[re]n [Ende] alles mit sich riss, [gewaltig und ohne Nachsicht], [bildete sich] zog auf; [und] ihr Pferd scheute wiehernd und [stieg mit den] stiess die Vorderbeinen hoch in die Luft. Angst stand ihr im Gesicht! Rechtzeitig riss sie die Zügel herum und ritt ins Kloster. In der [dortigen] Kapelle entledigte sie sich ihres [vollkommen] durchnässten Umhang[e]s, kniete [sich] vor dem Kruzifix nieder und flehte, bettelte geradezu,] den Herrgott an, Gnade über das Kind und dem alten Weib walten zu lassen.
Sie verharrte die Nacht betend vor dem Kreuz. Eine Nonne entdeckte die Fürstin kurz vor Dämmerung auf dem harten kühlen Steinboden des [im] zugigen Oratoriums [und kurz vor Dämmerung entdeckte eine Nonne die Fürstin liegend und] Sie schlief [schlafend auf einer Bank] im Gestühl. ja, wo denn jetzt: im Gestühl oder am Boden?]
„Durchlaucht, bitte steht auf, es ist kalt, nehmt diese Decke und trinkt einen wärmenden Tee mit uns!“
Andächtig schlichen sie auf leisen Sohlen durch die hohen Gänge, entlang [an] biblischer Auferstehungsfresken [von Auferstehung], bis in [des] die Klosterküche. Der Fürst wartete auf seine Gemahlin Franziska, empfing sie mit offenen Armen, drückte und küsste sie.
„Du glaubst nicht, welche Befürchtungen ich [mir ausgemalt habe] hegte. Dort wo sie jetzt ist, wird sie es gut haben.“
„Die Amme hat bei mir keine Sorgen [erzeugt] hervorgerufen! Du hast sie für tot erklärt und auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, ohne sie in den Arm genommen und angesehen zu haben. Sie war nicht tot, sie lebte und jetzt ist sie fort. Schwester Agnes, die bei der Geburt dabei war und ich haben sie Maria-Johanna getauft. Und sie wird, egal wo sie jetzt ist…!“, erbost rannte sie und ließ den Fürsten fragend zurück.

Gruß von Palinurus

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Hallo Knöpfchen,

auch wenn ich finde, daß @Palinurus Deinem Text mit seinen Änderungen viel Gutes getan hat, nehme ich mir Dein Original vor; denn was (und ob überhaupt) Du von diesen Änderungen übernehmen möchtest, weißt nur Du. Da ich aber bei @DuaneHanson bin, was die Absätze angeht, füge ich erst einmal welche ein (an zwei Stellen mußte ich dafür Sätze trennen). Dann liest sich der Text so:

Hellgraue Wolken stapelten sich vor einer dunkelgrauen, fast schwarzen Wand, glatt abgetrennt vom noch blauen Himmel, rollten sie wie gekämmt, stetig aufbrausender werdend, auf das Dorf **und **seiner Waldung zu. Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte **und **aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an **und **kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.
Im Verborgenen schlich sie aus der Burg, in die Stallungen, sattelte ihren Schimmel **und **galoppierte in den Wald, auf eine Lichtung, in die Nähe einer armseligen zerfallenen Hütte. Zweige brachen, Äste krachten lautstark **und **donnerten zu Boden, ihre Stute kreiste, schnaubte, war aufgewühlt **und **stampfte heftig kratzend mit seinen Hufen auf den Grund, mit Mühe behauptete sie sich im Sattel **und **hielt mit aller Kraft die Zügel eisern in ihren Händen.
Ein reifes, friedfertiges, knittriges Weib, bepackt mit Reisig **und **Holz, trat lautlos aus dem nebligen Unterholz hervor. „Was sucht ihr hier?“, fuhr sie die Fürstin an.
Diese erschrak, Regen peitschte ihr ins Gesicht **und **rann an ihr herab. „Das Kind!“, schrie sie gegen die tosende Brise.
„Macht kehrt!“,schlug dem Ross aufs Hinterteil **und **entwich ins finstere Dickicht.
Ein rasch rotierender Wirbel, aus Wasser, Wind **und **Geröll, der von der Unterseite der Wolken bis zum Erdboden reichte **und **am unteren Ende alles mitriss, gewaltig **und **ohne Nachsicht, bildete sich **und **ihr Pferd scheute, wieherte **und **stieg mit den Vorderbeinen hoch in die Luft, Angst stand ihr im Gesicht, rechtzeitig riss sie die Zügel herum **und **ritt ins Kloster.
In der dortigen Kapelle entledigte sie sich ihres vollkommen durchnässten Umhanges, kniete sich vor das Kruzifix **und **flehte, bettelte geradezu, den Herrgott an, Gnade über das Kind **und **dem alten Weib walten zu lassen. Sie verharrte die Nacht betend vor dem Kreuz auf dem harten kühlen Steinboden, im zugigen Oratorium.
Kurz vor Dämmerung entdeckte eine Nonne die Fürstin liegend **und **schlafend auf einer Bank im Gestühl. „Durchlaucht, bitte steht auf, es ist kalt, nehmt diese Decke **und **trinkt einen wärmenden Tee mit uns!“
Andächtig schlichen sie auf leisen Sohlen durch die hohen Gänge, entlang an biblischen Fresken von Auferstehung, in des Klosters Küche.
Der Fürst wartete auf seine Gemahlin Franziska, empfing sie mit offenen Armen, drückte **und **küsste sie. „Du glaubst nicht, welche Befürchtungen ich mir ausgemalt habe. Dort wo sie jetzt ist, wird sie es gut haben.“
„Die Amme hat bei mir keine Sorgen erzeugt! Du hast sie für Tot erklärt **und **auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, ohne sie in den Arm genommen **und **angesehen zu haben. Sie war nicht tot, sie lebte **und **jetzt ist sie fort. Schwester Agnes, die bei der Geburt dabei war **und **ich haben sie Maria-Johanna getauft **und **sie wird, egal wo sie jetzt ist…!“.
Erbost rannte sie **und **ließ den Fürsten fragend zurück.

Deine Ausgangsfrage war, warum die wörtliche Rede Deinen Lesbarkeitsindex aus der Balance bringt, und wie das zu ändern sei; Du willst die wörtliche Rede spannender gestalten, ohne daß die Lesbarkeit darunter leidet. Ich muß gestehen, auch mit Deiner Passage, verstehe ich die Frage nicht richtig. Was ist Dein Lesbarkeitsziel; in Worten oder auch in Zahlen? Möchtest Du eher eine 80 erreichen oder eher eine 20? Willst Du einfacher schreiben oder komplizierter?

Ich habe Deinen ursprünglichen Absatz einmal in ein neues Papryrus-Dokument eingefügt und bekomme 58 angezeigt. Dann habe ich meine Version mit den Absätzen (wie gesagt, zwei Sätze mußte ich dazu trennen) eingefügt und bekomme je nach Absatz Lesbarkeiten zwischen 20 und 90 angezeigt. Das ist tatsächlich sehr heterogen, wobei die Absätze ohne wörtliche Rede auf Werte von 20 bis 42 kommen; die mit auf 64 bis 80. Die Analyse bewertet also die wörtliche Rede als deutlich einfacher als Deine übrigen Passagen. Dich stört dieser Unterschied offenbar; mich zum Beispiel nicht. Um aber auf Deine (vermutete) Frage einzugehen, meine Gedanken:

  • Es spricht zu Beginn eine Frau in einer Extremsituation, emotional aufgewühlt. Daß sie keine syntaktischen Gebilde formuliert, wie Dein Erzähler das tut, erscheint mir logisch; es wäre in ihrer Situation unnatürlich, überlegt und konstruiert zu formulieren. Wenn Du also hier etwas ändern möchtest, dann könntest Du ihre Worte so gestalten, daß sie mehr ihrem Innenleben entsprechen: abgehackt, sich beim Formulieren ins Wort fallend, nach Worten ringend. Bisher sagt sie nur „Das Kind!“
  • Das Weib hat nur zwei Sätze, beide sehr kurz: „Was sucht Ihr hier?“ und „Macht kehrt“. Ich kenne die emotionale Verfassung des Weibes nicht; ist sie überrascht vom Auftauchen der Fürstin? Sie läuft Holz sammelnd durch ein Unwetter (gibt es dafür einen entsprechend wichtigen Grund?) und ist pitschnaß; ist sie verärgert? Genervt? Frustriert? Das weißt nur Du als Autor; entsprechend könntest Du auch hier ansetzen und ihre Sätze an ihre Gefühlswelt anpassen. In jedem Fall kommen sie mir bisher extrem knapp vor; falls das zur Figur paßt und gewünscht ist, wäre hier eine Gelegenheit, die Lesbarkeit (64 bzw. 80 bei den beiden Weib-Absätzen) durch längere Sätze abzusenken.
  • Nonne, Fürst und die letzte (längere) Äußerung der Fürstin sind mit 72, 74 und 74 quasi auf demselben Niveau. Wobei mein subjektives Empfinden hier, was innerhalb der Geschichte auch nur logisch zu sein scheint, den Fürsten und die Nonne als wesentlich ruhiger wahrnimmt als die Fürstin.
    Schlußfolgerung: Du hast als wörtliche Rede zwei Zwei-Wort und einen Vier-Wort-Satz in einer Passage, die ansonsten durch sehr lange Sätze auffällt. Da letztere gewollt sein dürften, kannst Du also, wenn Du hier eine Annäherung erreichen willst, bei der wörtlichen Rede definitiv drauflegen.

Noch eine Nebenbemerkung zu etwas, das mir beim Lesen sehr aufgefallen ist: Du hast für meinen Geschmack sehr viele „und“ in Deinem Text; ich habe sie oben gefettet. Teilweise für Aufzählungen, teilweise leitest Du damit auch Hauptsätze ein. Stilistisch fände ich es gelungener, wenn Du von diesen „unds“ gut und gerne 80, 90 Prozent entfernen könntest. Oft liest es sich besser, wenn statt des und ein neuer Satz folgt, etwa:

„Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte **und **aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an **und **kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.“ Hier finde ich die ersten beiden „unds“ verzichtbar:
→ „Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte. Aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an. Kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.“
Im Journalismus lautet eine Regel: ein inhaltlicher Aspekt pro Satz. Klingt wenig, kann man gewollt gegen verstoßen, hier aber finde ich, stärken die drei einzelnen Sätze Deine Beschreibung: ein Satz für Blitz und Donner, einer für Regen und Sonne, einer für den Wind. Ich jedenfalls kann die Szene beim Lesen so besser visualisieren.

Viele Grüße
Buchling

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Das sollte kein Angriff auf Handke sein. “Leichte Lesbarkeit” ist nicht dasselbe wie “literarisch wertvoll”, ist tatsächlich erst mal überhaupt kein literarisches Urteil, sondern sagt nur: Nimm einen Text A mit dem Wert “schwer lesbar” und einen Text B mit dem Wert “leicht lesbar” (sagen wir: eine Seite von Peter Handke und eine Seite von Erich Kästner), lege ihn einer repräsentativen Auswahl von Lesern vor, dann werden mehr Leute irgendwann beim Text A “aussteigen” als beim Text B. (“Aussteigen” im Sinn von “nicht weiterlesen” oder auch “meine Augen glitten über die Worte, aber hinterher wusste ich nicht, was ich eigentlich gelesen habe”).

Und das ist ja auch nicht weiter verwunderlich. Handke ist jemand, der sich bewusst und gewollt gewählt ausdrückt, der nach neuen sprachlichen Ausdrucksformen sucht und dazu auch zu ungewohnten Satzkonstruktionen und selten gebrauchten Wörtern greift: Ganz normal, dass ihm da nicht jeder folgen kann. Deswegen nennt man manche Literatur “anspruchsvoll”: weil sie mit dem “Anspruch” daherkommt, dass sich auch der Leser Mühe geben soll beim Lesen, dass er Vorbildung mitbringen muss und Übung, weil er sonst nichts von der Lektüre haben wird.

Die Lesbarkeitseinschätzung ist eine grobe Formel, vor allem aber soll sie nicht mehr sein als ein Instrument, ein Kompass: Wenn ein Kompass in den Sumpf zeigt, sollte man trotzdem lieber außenherum gehen, und wenn leichtere Lesbarkeit mit einem Verlust dessen bezahlt würde, was man zum Ausdruck bringen will, dann sollte man sie ebenfalls ignorieren.

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Alles ist gut. Mit dieser Ergänzung bin ich vollkommen d’accord.

Gruß von Palinurus

Hallo Knöpfchen,

die Dialoge sind in dem Text eigentlich nicht das Problem. Zu der monolithischen Textmauer, die den Leser erschlägt, hat @DuaneHanson ja schon das Nötige gesagt. Deine Sätze im erzählerischen Teil sind schlicht zu lang. Bei den ganzen Nebensätzen, Einschüben, Erläuterungen, etc. verliert man sich. In deinem Originaltext schaffst Du es in einem Satz 60(!) Worte unterzubringen („Ein rasch rotierender Wirbel…“). @Palinurus hat hier radikal und sehr schön diese Schachtelsätze auf bekömmliche Einheiten zurechtgestutzt. Sauer aufgestoßen ist mir die Metapher „Die Wolken rollten wie gekämmt“. Rollen und Kämme bringe ich mit Wellen in Verbindung, aber auch da nicht kombiniert.

Inhaltlich ergeben sich für mich beim Lesen folgende Fragen (die vielleicht schon in vorigen Kapiteln beantwortet wurden, dann betrachtete sie bitte als gegenstandslos):

  • Warum reitet die Fürstin bei einem drohenden Unwetter überhaupt aus der sicheren Burg in den Wald?
  • Wer oder was ist das alte Weib im Wald? Was hat sie mit dem Kind zu schaffen?
  • Was ist mit dem Kind? Wurde es nun auf dem Scheiterhaufen verbrannt und ist tot oder hat die Mutter es heimlich gerettet und es der Alten übergeben? Das wurde mir zumindest nicht klar.
  • Warum sollte sich ein Fürst dazu herablassen, in einer Klosterküche zu warten?

Bei deinen Dialogen verwendest du altertümliche Höflichkeitsformen und Begriffe, wahrscheinlich um ein mittelalterliches Flair zu erzeugen („Macht kehrt!“, „Durchlaucht“), aber ausgerechnet der Fürst begrüßt sie mit moderner Umgangssprache. Das ist m. E. nicht stringent.

Ein paar Umformulierungen würde ich noch vornehmen, ich greife hierbei auf Palinurus’ Version zurück:

„Dunkle Wolken ballten sich zu einer bedrohlichen Wand zusammen. Abgetrennt vom restlichen blauen Himmel fegten sie stärker werdend auf das Dorf und seine Waldung zu.“
**

*„… ihre verängstigte Stute schnaubte und tänzelte nervös auf dem aufgeweichten Waldboden herum.“
*

„Eine alte Vettel“

*„Meine Gemahlin, ich war um Euer Wohlergehen besorgt. Ihr habt mich in Schrecken versetzt. Seid unbesorgt ob Eurer Tochter, an dem Ort, an dem sie nun verweilt, wird es ihr an nichts mangeln.“
*
Viele Grüße

Ralf**

**

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Lieber Ralf,

nur damit keine Mißverständnisse aufkommen: An den Einzelformulierungen gäbe es m.A.n. viel zu feilen. Ich habe aber versucht, Knöpfchens Tenor weitgehend beizubehalten (und nur mehr oder weniger “etwas strukturierend” einzugreifen), weil sie ja extra gemeint hatte, “nicht wie Handke” schreiben zu wollen, sondern ihrem Gusto gemäß.

Ich habe zwar keine Ahnung, warum sie das schrieb, denn mein Handke-Rekurs hatte wahrlich eine andere Intention, wollte aber so höflich sein, ihren Wunsch zu respektieren.

Gruß von Palinurus

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Hallo Knöpfchen,
vielen Dank für Deinen Text. Die anderen Kommentatoren haben ja schon einiges gesagt, vor allem zu Absätzen, “und” sowie kürzeren Sätzen.

Mir sind noch einige Dinge aufgefallen.

Partizip-Konstruktion, meistens/oft unnötig. Wolken brausen i.d.R. nicht auf, das tut der Wind. und gekämmt sind sie auch eher nicht.

Auf das Dorf und seine Waldung zu. Oder vielleicht: auf Dorf und Wald zu

Du meinst die Wolkenberge? Da musste ich dreimal hinsehen, bis ich den Bezug gefunden hatte.

Dieses Bild scheint mir doch arg schräg: ok, Dächer könnten abgedeckt werden, aber wirbelnde Felder??

Die Stute stampfte kratzend (?) mit ihren Hufen (dass sie aufgewühlt ist, ist klar)

Im nächsten Satz peitscht Regen - entweder, oder.

Friedfertig passt nicht so recht zu den anderen beiden Adjektiven (von denen Du eine erkleckliche Menge verwendest), auch im Lichte dessen, dass die die Fürstin recht unfreundlich anfährt.

Eine Brise ist definitionsgemäß ein leichtes Lüftchen, kein Gewittersturm

Wenn das Pferd scheut und steigt (eins von beiden reicht m.M.n.), ist es schwierig, “rechtzeitig” die Zügel herum zu reißen - rechtzeitig sagt eigentlich, bevor etwas anderes passiert … sie reitet aber nur ins Kloster (etwas unvermittelt, von einen Kloster war nicht die Rede bisher)

Gnade über dem Kind und dem alten Weib. Oder: Gnade über Kind und der alten Frau walten zu lassen.

Andächtig schleichen?

Woher weiß er, wo seine Frau ist? Sie ist doch heimlich weggeritten?

Die Amme “erzeugt keine Sorgen”? Du hast sie für tot erklärt. Scheiterhaufen, das klingt nach Hexenverbrennung. Sie beschuldigt ihren Mann, ihre neugeborene Tochter lebendig verbrannt zu haben? Und sie ist nur “erbost” und rennt - wohin, oder einfach nur weg? Der Fürst ist verwundert, mehr nicht?

Ich hoffe, Du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen. Natürlich ist das alles meine persönliche Meinung.

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Vielen Dank an alle. Ihr habt mir sehr weitergeholfen.

Ich werde mir eure Anregungen in Ruhe durchlesen und dann meinen Text überarbeiten. Vielleicht kann ich einiges noch hinzufügen oder einarbeiten.

Vielen Dank

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