Guten Abend!
Eigentlich mochte ich den Anfang meiner Geschichte. Aber dann kam Papyrus, und ich fing an, Kapitel und Szenen zu markieren. Und plötzlich war da diese Szene, die erste im zweiten Kapitel, die da nicht hin paßte. Und der Hinweis von jemandem, der sich mit dem Schreiben auskennt, daß es die erste Szene ist, der Beginn des Buches, der den Leser in die Geschichte reinzieht - oder auch nicht. In medias res also, und dazu ist meine (bislang) erste Szene zu gemächlich. Die Szene aber, die irgendwie nirgendwo reinpaßt: Ich fürchte (hoffe?), ich muß / kann sie zum Prolog machen. Was meint Ihr: Ist das ein geeigneter Prolog? Ist Euer Interesse geweckt, seid Ihr neugierig?
*Der Mann hastete durch die Gassen Morenas. Die nächtliche Kälte ließ seine Knochen schmerzen. Er hielt einen Augenblick inne, horchte. War das Hufgetrappel? Nein: nur ein paar Ratten, die auf Futtersuche den Unrat am nahegelegenen Kanalufer durchsuchten.
Er nutzte die Pause, um warmen Atem gegen seine steifen Finger zu hauchen. Kurz verfluchte er sich dafür, nicht einfach eine Taube geschickt zu haben. Doch eine Taube ohne fürstlichen Ring hätte den Verdacht der Berittenen geweckt. Das Risiko, daß die Nachricht abgefangen wurde, war zu groß. An einem alten Mann hatten die Häscher des Fürsten kein Interesse. Schlimmstenfalls würden sie ihn züchtigen, weil er sich nicht an die Sperrstunde hielt. Er kicherte. Seine geschwollenen Knöchel bereiteten ihm mehr Sorgen.
Behende für sein Alter huschte er weiter. Ein kurzer Blick über die Schulter versicherte ihm, daß er allein war, von den Ratten abgesehen. Abrupt verschwand er in einer Seitengasse.
Hier kauerten sich die Häuser so dicht zusammen, daß an ein Durchkommen der schwarzen Pferde nicht zu denken war. Selbst die schmalen Finger des Mondlichts reichten nicht zwischen die Mauern. Er drückte sich in einen fauligen Türrahmen und wartete.
Endlich ertönte das wehmütige Pfeifen einer Eule. Ein Ton, der in den Gassen Morenas zu Hause war wie die Ratten. Der Mann spitzte die spröden Lippen und wiederholte ihn.
Eine zweite Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit und zwängte sich zu ihm in die Nische. „Du könntest Dich mal wieder waschen“, zischte er.
Der Erste unterdrückte ein Schnauben. „Meinschte nich, wir ham Wichtigeresch tschu besprechen? Wasch hascht Du tschu berichten?“
Der Neuankömmling beugte sich herunter, bis seine Lippen das Ohr des Alten beinahe berührten. „Die Nachricht wurde überbracht“, flüsterte er.
Die Augen des Alten loderten auf wie eine Kerze, die neue Nahrung erhält. „Dann bin ich jetzscht an der Reihe.“
Nach diesen Worten trennten sich die Männer. Der Alte wartete, bis der Nebel Schritte und Gestalt des anderen verschluckt hatte, dann humpelte er in die entgegengesetzte Richtung davon. Nur die Ratten hörten ihn murmeln: „Esch hat begonnen.“*
Ein kleiner Hinweis noch: Das Nuscheln ist absichtlich so geschrieben - ich hoffe, es ist nicht zu nervig; ich wüßte aber momentan nicht, wie es sich anders lösen ließe.
Wie immer: Danke für Eure Meinungen!
Viele Grüße
Buchling